146 - Winterkrieger
zerschossenen Kniescheibe den Abschied eingereicht und saß im WCA-Archiv. O’Hara war mit einer Winterkrieger-Einheit gegen Terroristen marschiert, die sich im Palast des Bürgermeisters verschanzt hatten. Crows Team hatte O’Haras Gruppe in der Dunkelheit mit dem Feind verwechselt und unter Feuer genommen.
O’Hara hatte Crow einen Trottel genannt und geohrfeigt.
Crow hatte O’Hara festnehmen lassen. Später hatte O’Hara sich für seine »Überreaktion« entschuldigt, und Crow hatte das
»militärische Versehen seiner Untergebenen« bedauert. Die Präsidentin hatte O’Hara ermahnt und Crow belobigt, denn der hatte den Bürgermeister immerhin gerettet und die Terroristen aufgerieben.
»Captain Grover?«
»Ja?« Ayris schaute auf. Sergeant Paddy stand im Rahmen.
Er wirkte aufgeregt und schwenkte einen T-Rechner.
»O Herr im Himmel!« Ayris erbleichte. »Fast hätte ich’s vergessen! Der Oberwelt-Termin!«
***
Dass der Gesandte der britanischen Krone den Fuß nicht ins Weiße Haus setzte, um mit Präsident Crow zu konferieren, fand Ayris schon eigenartig genug. Doch dass er in einem Viertel hauste, das sie auch am hellen Tag nur mit sichtbarer Bewaffnung betreten hätte, konnte sie nicht verstehen.
»Ich kann Ihnen nicht sagen, was Mountbatton veranlasst, unter dem Mob zu hausen«, erklärte Crow, als sie durch das dichte Schneegestöber gingen. »Aber das ist nicht unser Problem. Zumindest nicht, solange wir unbehelligt bleiben. Und dafür habe ich Sie mitgenommen, Captain: Bleiben Sie wachsam und halten Sie mir den Rücken frei, während ich mit dem Gesandten spreche. Und wenn etwas Verdächtiges geschieht: erst schießen, dann fragen!«
»Ja, Sir.«
Ayris schaute den durch den Schnee stapfenden Präsidenten an. Mit dem schwarzen Schlapphut und dem gleichfarbenen Poncho wirkte er nicht gerade Vertrauen erweckend. Im Dunkeln hätte sie einen weiten Bogen um ihn gemacht. Und um sich auch, denn sie glich Crow wie ein Zwilling.
»Was ist der Gesandte für ein Mensch, Sir?«, fragte Ayris, um sich von dem Gedanken abzulenken, dass der Mörder ihres Vaters möglicherweise wirklich neben ihr herging und nette Worte mit ihr wechselte.
»Als er hier ankam«, sagte Crow als sie in eine Gasse einbogen, die ins Rotlichtviertel führte, »war er wie einer jener Britanier, wie man sie aus den Büchern des 19. Jahrhunderts kennt.« Crow lachte leise. »Inzwischen hat er sich aber an das Leben in den Kolonien angepasst.«
»In den Kolonien, Sir?«
Crow seufzte. »Erzähle ich Ihnen später mal.« Er deutete mit finsterer Miene auf die Kaschemmen vor ihnen in der Gasse. »Ich kann nicht sagen, dass es mir Spaß macht, in dieser Gegend unterwegs zu sein.«
»Der Gesandte fühlt sich hier wohl?«
»Angst ist ihm fremd.« Crow hüstelte. »Würden Sie seine Leibgarde kennen, hätten sie auch keine Angst mehr.« Er ging weiter, und Ayris folgte ihm. »Er ist übrigens davon überzeugt, dass die Daa’muren uns längst infiltriert haben. Dass ihre Spitzel schon unten im Bunker sitzen. Das wird vermutlich auch der Grund sein, warum er sich hier draußen mit mir trifft.«
»Und Sie, Sir?«, fragte Ayris. »Glauben Sie das auch?«
Sie sah in Crows grauen Augen etwas aufblitzen. »Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich tun wir alles Menschenmögliche, um eine Infiltration auszuschließen. Aber wir kennen den Feind zu wenig, um sicher sein zu können. Daher lebe ich nach dem Motto: Traue niemandem außer dir selbst.« Und nach einem kurzen Grinsen fügte er hinzu: »… und vielleicht noch deinem Adjutanten.«
Wider Erwarten wallte Stolz in Ayris auf. Es war in der Tat erstaunlich, dass der Präsident sich nur in ihrer Begleitung hierher wagte, wo ihn ein feindliches Kommando leicht töten konnte. Wenn das kein Vertrauensbeweis war…
In der Gasse warben Schilder für Lokalitäten wie »Hoaney Mayden« und »Nekkid Gayl«. Vor den Eingängen priesen Typen mit schleimiger Stimme den Passanten Genüsse an, die angeblich »nicht von dieser Welt« waren.
Crow ignorierte die Anreißer. Kurz vor dem Ende der Gasse deutete der Präsident auf ein Gebäude, das sich bemühte, seriös zu wirken: Über dem Eingang stand: »De Gawlden Lyon«, darunter: »Wer sich nicht zu benehmen weiß, ist des Todes«.
Der Türsteher, ein blasser Mann mit roten Augen und spitzen Eckzähnen, der eine schwarze Kutte mit Kapuze trug, wirkte, als sei er kürzlich erst von den Toten auferstanden.
»Ah, Exzellenz«, röchelte er bei Crows
Weitere Kostenlose Bücher