146 - Winterkrieger
viermal versucht, ihn auszuräuchern. Das Ergebnis hatte immer im Abfackeln eines halben Straßenzugs bestanden. Deswegen ersuchten uns die Gendarmen, als sie zum fünften Mal hörten, wo Crosseyed Kid steckte, um Hilfe.
Es war mörderisch kalt – Anfang Februar. Der Nordwestwind peitschte uns vom nahen Atlantik her um die Ohren. Die Luft war voller Schnee. Wir eilten schweigend durch die verschneiten Wälder: Crow vornweg, dann die Neuen, dann Rosalie und ich.
Die Frischlinge hatten wahre Wunderdinge über unsere Einheit gehört und brannten darauf zu beweisen, was sie drauf hatten. Dabei hatten sie bisher nur am Monitor bewiesen, was sie für tolle Soldaten waren. Ich kannte ihre Akten. Ich ging davon aus, dass jeder seinen linken Arm dafür hergegeben hätte, nur damit später in seiner Akte stand, er sei noch härter drauf als Captain Crow.
»Da ist sein Lager.«
Wir blieben stehen. Wir waren in einer Gegend, die früher Foggy Bottom geheißen hatte, nicht weit entfernt von der Stadtmauer und vom zugefrorenen Potomac River.
Wie unser Kartenmaterial zeigte, war diese Ecke schon vor dem Kometen reichlich bewaldet gewesen, doch jetzt breitete sich hier ein Urwald aus Nadelhölzern aus, in dem da und dort, wie abgebrochene Zähne, die Ruinen nicht ganz so hoher Häuser aus dem Erdreich ragten.
In einem der Zahnstümpfe, so hatte ein Informant den Gendarmen gesteckt, befand sich Crosseyed Kids Versteck.
Wir pirschten, die Drillpistolen im Vorhalt, hin und kesselten das Gebäude ein. Es bestand aus Stein, stammte aus der Zeit vor dem Eis und war groß genug für eine Hundertschaft.
Die Fenster waren verrammelt. Gläser waren damals dünn gesät. Kunststofffolien bedeckten die Fensteröffnungen. Da und dort brannte dahinter ein Feuer. Die Eingänge – zwei an der Zahl – waren mit Säcken verhängt. Ein typisches Wohnsilo dieser Zeit, bewohnt von Menschen, für die jeder Tag ein Kampf ums Überleben war.
Einer kam hinter den Säcken hervor. Er erschrak sich fast zu Tode, als er uns sah.
Inzwischen brauchten wir keine Maskenbildner mehr, denn wir sahen tatsächlich so aus wie die Halunken, mit denen wir es an der Oberwelt aufnehmen mussten.
Unser Aufzug sollte dazu dienen, dass normale Menschen uns schon aus Angst Platz machten, dass Bettler nicht auf die Idee kamen, uns aufzuhalten, und Diebe es nicht wagten, uns in die Tasche zu greifen. Es war wichtig, dass wir zügig vorankamen.
Captain Crow schleuderte lautlos sein Messer und der Mann fiel tot in den Schnee.
Captain Crows linker Zeigefinger deutete auf jeden von uns und besagte: Du mit dem, du mit dem, du mit dem, du mit der, du mit mir. Im Fall Crosseyed Kid war ich mit Rosalie zusammen, und das war mir sehr lieb, denn in den Mienen unserer Neuerwerbungen hatte ich eine gewisse Kälte entdeckt, die zu der Landschaft passte.
»Hintertür.«
»Verstanden.« Rosalie und ich umrundeten das Haus und bauten uns an der Hintertür auf.
Ein anderes Team bewachte den Haupteingang.
Crow und drei andere pirschten sich in der Finsternis in die Etage, in der Crosseyed Kid sein Domizil aufgeschlagen hatte.
Keine Ahnung, ob ihnen dabei irgendein Nachbar über den Weg lief, der mal Gassi musste. Es muss aber einen unerwarteten Zusammenstoß gegeben haben, denn kurz darauf krachten irgendwo über uns Pistolen. Flüche ertönten, dann Gebrüll und Geschrei. Eine Handgranate detonierte. Scherben regneten in die Tiefe. Captain Crow in Aktion: Ich witterte jede Menge Kollateralschäden.
Wir hörten wütende, aber auch ängstliche Schreie und schauten uns an. Über uns zerschnitten Klingen die Folien über den Fensterrahmen. Menschen sprangen in die Tiefe, landeten dumpf klatschend im Schnee. Rings ums Haus stapften geduckte Schatten durch den Schnee und suchten ihr Heil in der Flucht.
Ich zweifelte nicht daran, dass Crow und die anderen ein paar schräge Vögel aufgeschreckt hatten, die nun zusahen, dass sie Land gewannen. Ich weiß noch, dass ich dachte: Was für’n Glück, dass niemand auf die Idee kommt, den Widerstand zu organisieren.
Ich hatte den Gedanken kaum beendet, als eine Explosion über uns ein Stockwerk dermaßen erschütterte, dass rings um uns her Tonnen von Gestein, Mobiliar und Teile von Menschen in den Schnee krachten. Eine durchs Treppenhaus fegende Staubwolke ließ die Lappen vor dem Hintereingang wehen und hüllte uns ein. Entsetzte Hausbewohner kamen uns entgegen; zu viele, um sie aufzuhalten. Sie eilten ins Freie und gingen irgendwo in
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