1460 - Lockruf des Trolls
Bescheid zu sagen, kam sie erst gar nicht.
Sie lief los, passierte das Haus an der linken Seite und brauchte nicht mal lange, um das Unterholz zu erreichen. Sie wühlte sich durch, und es war ihr egal, ob sie Geräusche machte oder nicht. Dabei war ihr Blick ständig zu Boden gerichtet. Der Weg, den sie ging und dabei zwangsläufig Spuren hinterließ, den mussten auch die Trolle genommen haben, es sei denn, sie hätten noch vor dem Wald die Richtung gewechselt, aber daran wollte Justine nicht glauben.
Kurz darauf sah sie die Spuren. An verschiedenen Stellen war das Unterholz abgeknickt. Da lagen abgebrochene Zweige auf dem Boden. Die Cavallo quittierte die Spuren mit einem kalten Lächeln. Sie war fest davon überzeugt, dass sie bald ans Ziel gelangen würde.
Im Magazin des Gewehrs steckten noch genügend Kugeln. Es war zwar nicht ihre Art, die Gegner auf eine derartige Art und Weise auszuschalten, aber sie konnte sich daran gewöhnen. Der Gedanke, die Trolle der Reihe nach abzuknallen bereitete ihr sogar Vergnügen.
Bisher war es ziemlich einfach für sie abgelaufen. Das änderte sich recht schnell, denn der Wald war groß. Da konnten sich die verdammten Trolle trennen und ihren Weg in verschiedene Richtungen fortsetzen.
Wieder begann sie mit der Spurensuche.
Justine bewegte sich jetzt so leise, wie es nur eben ging. Ihr Gesicht, das die makellose Schönheit einer Barbiepuppe aufwies, war glatt wie heller Stein, und ihr blondes Haar wirkte wie ein Leuchtkörper im Reich der Schatten.
Im Wald war es ruhig, aber nicht still. Geräusche hörte sie immer wieder. Die hatten sie schon von Beginn an begleitet, sodass sie die meisten davon ignorierte. Justine interessierte sich nur für Laute, die nicht hierher passten, aber da hatte sie Pech. Es machte sich keiner der Trolle bemerkbar.
Hatten sie bereits ihr Ziel erreicht? Wenn ja, wo befand es sich?
Die Vampirin suchte mit ihren scharfen Blicken auch den Boden ab. Irgendwelche Spuren waren in diesem Umfeld nicht zu erkennen. Es gab nur den normalen Waldboden, und dort zeichnete sich leider nichts ab.
Die Äste und Zweige der Bäume wurden zu Hindernissen, die sie aus dem Weg räumte. Manche peitschten zurück, andere wurden einfach abgebrochen und hinterließen helle Flecken an den Bruchstellen, was den Trollen nicht passiert war.
Justine wusste, dass sie ein kleines Kind geraubt hatten. Sie achtete auf leises Weinen oder irgendwelche Schreie, aber da war nichts dergleichen zu hören.
Trotzdem ging sie weiter. Einen normalen Weg entdeckte sie nicht.
Aber den brauchten die Trolle auch nicht. Sie fanden den Weg zu ihrem Versteck auch so. Justine wäre es am liebsten gewesen, sie alle auf einmal in einer Höhle zu entdecken, denn sie traute sich zu, die teuflischen Wichte allein zu vernichten. Und wenn sie jeden einzeln auseinander reißen musste.
Die Blutsaugerin besaß die Sinne und Instinkte eines Nachttieres.
Jedes kleinste Geräusch fiel ihr auf. Vögel mieden die Gegend. Sie hatte nicht einen gehört, der gesungen oder gezwitschert hätte. Es blieb diese unnatürliche Stille.
Justine stoppte, als sie vor sich drei Fichten sah, die ihr den Weg versperrten. Sie überlegte und konnte sich vorstellen, dass die Nadelbäume etwas verbargen.
Einen langen Schritt ging sie nach vorn. Unter ihren Sohlen knisterte altes Laub. Kälte oder Wärme spürte sie nicht. Sie kam gut weiter und schob dann mit dem Lauf des Gewehrs einige Zweige zur Seite, um sich freie Bahn zu verschaffen.
Dass dünne Zweige ihr Gesicht streiften, merkte sie nicht. Als Vampirin war sie gefühllos. Sowohl körperlich als auch seelisch. Sie handelte nur, wenn für sie ein Vorteil heraussprang.
Sie ging weiter, kam aber nur einen Schritt weit, denn plötzlich sah sie den Tümpel.
Ein Loch mitten im Wald. Gefüllt mit einer braunen Brühe, die wie Schlamm aussah. Die Trolle waren nicht zu sehen, aber sie wusste genau, dass sie in der Nähe lauerten.
Da gab es eine gewisse Ausstrahlung, die ein Mensch womöglich nicht wahrgenommen hätte. Bei ihr war das schon der Fall. Zwar roch sie es nicht so gut wie Blut, aber es war vorhanden, und Justine schaute sich um.
Verstecke gab es genug, aber dieser Tümpel kam ihr nicht geheuer vor. Sie konnte sich denken, dass er etwas verbarg.
Zu sehen gab es nichts. Sie konnte höchstens etwas erahnen, aber auch das war schwer genug.
Justine entschloss sich, in der Nähe zu bleiben. Sie wollte nur einmal den kleinen Tümpel umrunden und dabei nach
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