1470 - Der Arzt von Angermaddon
hing im Schwebekorridor und blickte in die Wohnung hinein. Sie erstreckte sich über das ganze Stockwerk, und Garnoda erkannte neun Türen, die in die anschließenden Räume führten. Sie standen offen, und durch eine von ihnen hörte er den Ruf, der ohne Zweifel ihm galt. „Komm herein, Mediker! Aber beeile dich!"
Er durchquerte die Tür und den vordersten Raum. Seine Augen erfaßten ein bequem eingerichtetes Wohnzimmer mit mehreren Schwebeliegen und Polstern aus Luft und Wasser, die von Energiefeldern zusammengeharten wurden. Eine Bildschirmwand in der fensterlosen Etage zeigte den tatsächlichen Zustand draußen, den Fluß und die üppige Vegetation am gegenüberliegenden Ufer. Keine drei Kilometer von hier mündete der Chorp in den Ocinos.
In dem Zimmer befanden sich zwei Cantaro. Der eine von ihnen hielt sich im Hintergrund bei einem sargähnlichen Behälter, der andere stand in der Mitte des Raumes und schwenkte seine Arme. „Du also bist Tebye Garnoda, der Plophqser. Kommandant Zathrom hat dich empfohlen, also beeile dich!
Ich habe keine Zeit zu verschenken."
Da war er wieder, dieser arrogante und jeden Widerspruch ausschließende Ton, den der Plophoser aus tiefstem Herzen haßte. Er ließ die Schultern sinken, nestelte an seinem Gewand und setzte sich in Bewegung. An Xattur vorbei schritt er auf den zweiten Cantaro und den Behälter zu. Pfrachom hatte ihn grob instruiert, und so wüßte er, daß der zweite Droide Zhoquun hieß, Majorsrang besaß und als Adjutant des Generals fungierte. „Da liegt der Gefangene?" Garnoda deutete in den Behälter und sah den General an. Täuschte er sich, oder entdeckte er etwas Lauerndes in dessen Mimik? „Ja. Du sollst ihn aus seinem Koma befreien, damit wir die Möglichkeit haben, ihn nach wichtigen Informationen zu befragen."
„Es ist gut. Ich werde ihn mir ansehen. Aber ich kann euch nicht versprechen, daß er hierbleiben kann.
In meiner Klinik gibt es die nötigen Geräte und den Platz."
Xattur lächelte huldvoll, aber gleichzeitig bildete sich ein schmerzlicher Zug um seinen Mund. „Du wirst dich damit abfinden müssen, daß er hierbleibt, Plophoser!"
Es hatte keinen Sinn, einen Widerspruch anzubringen oder mit medizinischen Argumenten anzukommen. Garnoda ergab sich in sein Schicksal und wandte sich Zhoquun zu, der den durchsichtigen Behälter öffnete. Der Mediker betrachtete den Körper des Liegenden von unten bis oben und musterte die offenen Augen. „Man sollte ihm zuerst einmal die Augen schließen", meinte er und beugte sich über den Kopf des Mannes. Er streckte den rechten Arm aus und spreizte die Finger.
Mitten in der Bewegung erstarrte Tebye Garnoda. Er mußte sich mit der anderen Hand am Rand des Behälters festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Seine Augenlider flatterten, und seine Lippen bebten. Ein leises Stöhnen drang über seine Lippen, und ohne daß er es wollte, formten sie einen Namen. „Roi Danton!" rief Garnoda aus. Im nächsten Augenblick schlug er sich die Hand vor den Mund. Er wandte sich um. Xattur und Zhoquun standen dicht hinter ihm und versperrten ihm den Weg zur Tür.
Sie hatten darauf gewartet, das sah er zumindest dem General an. Sie hatten erwartet, daß er den Gefangenen erkennen würde. Und er war ihnen blind in die Falle gelaufen. Jetzt war sein Geheimnis verraten, und das flaue Gefühl in seinem Magen, das er in seiner Klinik verspürt hatte, als die Roboter vom ZOA ihn abgeholt hatten, kehrte übergangslos zurück.
Einst, in jener lange zurückliegenden Zeit vor der Großen Katastrophe, mußte Roi Danton wie alle anderen Gefährten Perry Rhodans eine weithin bekannte Persönlichkeit gewesen sein. Aber seitdem waren fast siebenhundert Jahre verstrichen. Wenn Danton noch lebte, hatte er die ganze Zeit im Untergrund zugebracht.
Heutzutage wußte fast niemand mehr von ihm und den anderen, sie galten als tot, egal welche Version ihres Dahinscheidens auch stimmen mochte.
Daß Roi Danton noch lebte, wunderte Tebye nicht, denn er wußte ja inzwischen, daß auch Rhodan nicht tot war.
Sein Interesse für galaktische Geschichte, das er bisher aus guten Gründen geheimgehalten hatte, war jetzt verraten, und er konnte sich die Konsequenzen ausmalen. In diesem Augenblick, mit diesem unbedachten Ausruf des Namens, hatte Tebye Garnoda seine Existenz vernichtet und sich zumindest in den Verdacht gebracht, ein Gegner der Cantaro zu sein, vielleicht sogar ein Widder, der über die Hintergründe Bescheid wußte.
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