1472 - Wahnsinn in Manhattan
trotz allem noch Überraschung zeigen konnte.
Sie starrte uns an. Wir schauten zurück und bohrten unsere Blicke in ihre Augen, denn die konnte man als Indikator bezeichnen. Der Blick eines Menschen zeigte an, ob er noch normal war oder nicht.
Blass waren sie. Auch irgendwie leblos.
»Hallo, Susan«, sagte ich.
Sie hatte meine Stimme genau gehört, und sie hatte mich auch verstanden. Doch da war etwas in ihrem Innern, das sich gegen mich auflehnte.
Es dauerte nur zwei, drei Sekunden, bis ich Bescheid wusste. Ich wurde von ihr gehasst.
»Geh mir aus dem Weg! Los, mach Platz! Ich will dich nicht mehr sehen, verdammt!«
»Ich denke da anders, Susan.«
»Ist mir egal. Wo kommst du her?«
»Das ist nicht wichtig. Ich habe dich gesucht, weil ich mich gern mit dir über den Tod unterhalten möchte.«
Ihre Antwort erfolgte sofort. »Du gehörst nicht dazu! Verstehst du das nicht?«
»Ab jetzt schon.«
»Nein!«
Ihre Aggressivität steigerte sich. Ich war gespannt darauf, wie weit sie gehen würde. Noch deutete nichts darauf hin, dass sie mich angreifen wollte. Hinter mir standen Dora und Suko. Beide sprachen leise miteinander. Sie würden nicht eingreifen, und so konnte ich mich weiterhin mit Susan beschäftigen.
Ich sagte: »Du willst ins Theater, wie ich hörte. Ich denke, dass wir gemeinsam gehen sollten.«
»Nein!« schrie sie mir ins Gesicht.
»Warum nicht?«
»Du bist nicht würdig!«
Das war ich auch nicht. Da hatte sie schon recht. Aber ich wollte mehr von ihr wissen. Dass sie kein Zombie war, stand fest. Die Begegnung mit dem Tod hatte sie nur verändert. Und sie stand nun auf der anderen Seite, das hatte ich bereits im Tunnel gespürt.
Das Kreuz hing nicht mehr vor meiner Brust.
Es steckte griffbereit in der Tasche, in die ich nun langsam meine Hand schob. Kaum hatte ich das Metall berührt, geschah etwas. Ich spürte Wärme über meine Fingerkuppen huschen, und das war der Beweis, dass Susan unter einem bösen Einfluss stand.
Sie verfolgte die Bewegung meiner Hand, sah wenig später das Kreuz, das plötzlich frei auf meiner Handfläche lag. Sie sah auch das Licht, das meinen Talisman umgab, und von einer Sekunde zur anderen verzerrte sich ihr Gesicht.
Diese Reaktion war unmissverständlich. Sie wollte nichts mit mir zu tun haben. Sie schüttelte wild den Kopf, sie wich zurück. Alles deutete auf eine Flucht hin.
Die Wohnungstür hatte sie nicht ganz geschlossen. Susan streckte den Arm aus, um sie aufzureißen, als ich sie zu fassen bekam und mit einer heftigen Bewegung hinter mich schleuderte.
Schreiend huschte sie an mir vorbei und fiel Suko in die Arme, der darauf nur gewartet hatte, mit einem schnellen Griff zupackte und sie festhielt. Hinter ihrem Rücken hatte er den rechten Arm angewinkelt und in die Höhe gedrückt. Wenn sie sich jetzt bewegte, um sich aus dem Griff zu befreien, würden ihre Schmerzen unerträglich werden, und deshalb blieb sie in dieser Haltung.
Dora Caine war zur Seite gewichen. Wie schützend hielt sie ihre Arme nach vorn gestreckt, aber ihre Mitbewohnerin konnte ihr nichts mehr tun. Sukos Griff war einfach zu fest. Außerdem hatte sie sich einzig und allein auf mich konzentriert.
Ihr Ausatmen glich einem Röhren. Dieser Klang war für mich hasserfüllt. Sie konnte einfach nichts anderes mehr tun und stierte unentwegt auf das Kreuz.
Ich hielt es in der rechten Hand. Ich erlebte auch seine Wärme auf meiner Haut. Aber mein Blick galt Susan Walters, die für mich besessen war. Eine andere Macht hatte von ihr Besitz ergriffen. In ihrem Körper steckte ein Dämon oder wie man es immer bezeichnen sollte. Eine Macht, die alles an sich gerissen hatte. Susan rollte so stark mit den Augen, dass man Angst um ihre Sehrorgane bekommen konnte.
»Willst du sie befreien, John?«
»Ja.«
Ich war kein Exorzist, aber ich war lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass mein Kreuz das Böse vernichtete, wo immer es auftrat. Das sollte auch hier so sein. Nur wollte ich nicht, dass Susan Walters starb. Ich konnte nur hoffen, dass der Druck in ihr nicht so intensiv war und die andere Seite nicht schon zu viel Menschliches geraubt hatte.
»Schau mich an, Susan!«
»Nein!« brüllte sie.
»Du musst es tun! Es gibt nur diesen Weg! Du bist zu jung für den Tod, verdammt!«
»Ich liebe ihn!« schrie sie. »Ich liebe den Tod über alles. Er ist mein neuer Freund!«
Das konnte ich nicht so stehen lassen und tat das, was ich schon so oft getan hatte.
Ich brachte Susan und das Kreuz
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