1476 - Drei gegen Karapon
Zukunft. Das hat aber mit Wahrsagerei nichts zu tun."
„Das sagst du."
„Die meisten Lebewesen", fuhr Ernst Ellert unbeirrt fort, „empfinden ihr Leben als einen verwirrenden und frustrierenden Prozeß. Es wird von nicht kalkulierbaren oder eben nicht vorhersehbaren Fakten beeinflußt. Das führt zu einer ständigen Verunsicherung und weckt den Wunsch, etwas von der Zukunft zu erkennen. Sie glauben unwillkürlich, mit Kenntnis der Zukunft - und möge es sich nur um ein paar Bröckchen daraus handeln - den richtigen Kurs durch ihr gefährliches und unsicheres Dasein steuern zu können."
„Damit bestätigst du die Daseinsberechtigung meines Berufs", erklärte Zjumandiok. „Die Lebewesen brauchen Wahrsager."
Ellert ging nicht darauf ein. „Um die Ängste, die Zweifel, die Enttäuschungen und die Verantwortung auszuschalten", erläuterte er weiter, „die mit Entscheidungsprozessen oder dem Überwinden von Problemen Hand in Hand gehen und die immer und überall unvermeidlich sind, suchen die Lebewesen nach Patentlösungen. Sie entwickeln daher in jeder Zivilisation mehr oder weniger stark die Vorstellung, Antworten aus der. Zukunft könnten ihn dabei helfen."
„Das können sie auch", beharrte Pokerface. „So ist es."
„Ich sage dir, wie es ist. In jedem Zeitalter, in jeder Kultur, in fast jedem Volk haben sich immer ein paar besonders Schlaue gefunden, die diese Schwäche ihrer Zeitgenossen erkannt haben und daraus Profit schlugen. In meinem Volk gab es seit jeher Orakel, Hexen, Schamanen, Sterndeuter, Weissager, Seher, Auguren, Kartenleger, Handleser und was der Wahrsager mehr sind. All das, was sie taten, ist totaler Mummenschanz ohne den geringsten Anspruch auf Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit."
„So kann man das nicht sagen", empörte sich Pokerface. „Doch!" Ellert blieb gnadenlos hart. „Es ist Wahrsagerei, von wahren Wissenschaftlern Divination oder Mantik genannt. Diese Wahrsagerei ist ein schlimmes Übel, denn sie schwächt die Lebewesen. Sie nimmt ihnen die Pflicht und die Notwendigkeit ab, eigene Entscheidungen zu treffen und für diese Verantwortung zu tragen. Sie lähmt Initiativen und schiebt Ereignisse einem fiktiven Bereich zu, den man angeblich nicht beeinflussen kann. Sie baut den Irrglauben an eine Vorhersehung auf und verwandelt das Denken in stumpfsinnige Hingabe an scheinbar nicht änderbare Dinge."
„Du siehst das alles sehr negativ", klagte das pechschwarze Wesen. „Ich konnte mich davon gut ernähren."
„Es ist negativ", bekräftigte Ellert. „Daß du von der Wahrsagerei leben kannst, mag gut für dich sein. Nur für dich, aber nicht für die, denen du etwas vorgeschwätzt hast. Und sonst ist nichts Positives daran. Du kannst nicht einmal beurteilen, welches Unheil du schon angerichtet hast."
„Ich bin mir keiner Untat bewußt."
„Das spricht für deine Oberflächlichkeit. Aber lassen wir das jetzt.
Wenn wir in den nächsten Tagen Zeit finden, werde ich dir mehr erzählen. Über Sterndeuterei, über das Wahrsagen aus hingeworfenen Holzstöckchen und über andere unsinnige Dinge. Für heute ist Schluß.
Morgen erwarte ich die ersten Geräte, und dann gibt es viel fiir uns zu tun."
Ellert reichte Zjumandiok die Holzstöckchen, und dieser ließ sie stumm in einer Körperfalte verschwinden
6.
Die nächsten zehn Tage dienten der Vorbereitung der Demonstration. In dieser Zeit kamen sich Ellert, Zjumandiok und Fhey-Djon näher. Sie arbeiteten gut und sachlich zusammen, was vor allem daran lag, daß der Waistokyer das Thema Wahrsagerei nicht mehr anschnitt.
Die von Ellert geforderten Geräte waren am dritten Tag vollzählig vorhanden. Nur die bestellten gelben Früchte waren nicht geliefert worden. Einen Grund dafür erfuhr Ellert nicht, und auch Fhey-Djon wußte dazu nichts zu sagen.
Zu diesem Zeitpunkt teilte Fhey-Djon ihm mit, daß er von Daok-Demm beauftragt worden war, die Gefangenen genau zu beobachten und alles Verdächtige zu melden. Für positive Ergebnisse hatte ihm der karaponidische Geheimdienstchef die Freistellung vom Dienst als Kerkerwächter und die Rückkehr zur Raumflotte in Aussicht gestellt.
Die Preisgabe dieser Information unterstrich, daß sich der Einohrige ganz auf die Seite der beiden Gefangenen gestellt hatte. Ellert registrierte das mit Zufriedenheit.
Auch als Daok-Demm ein Abhörsystem durch den Wächter einschmuggeln ließ, informierte dieser den Terraner. Fortan wurden im Vorbereitungsraum, wo Fhey-Djon das Gerät gemäß der
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