148 - Nosferata - die Blut-Lady des Dr. Satanas
Seidenschal um den Hals und knöpfte
seinen Mantel zu. Er war aus bester Kashmir-Wolle gearbeitet, und man sah
Claude Moran an, daß er nicht sparsam lebte. Er gönnte sich teure Kleidung,
gutes Essen und Trinken und bei seinen Besuchen in den verschiedenen
europäischen Großstädten Abstecher bei Freudenmädchen, mit deren Diensten er
besonders zufrieden gewesen war.
Wenn er mal eine gefunden hatte, die ihm
gefiel, ging er dort auch immer wieder hin.
So war er ständiger Gast bei Lilo in
Frankfurt, bei Susan in London, Carmen in Madrid, Dominique in Luxemburg,
Rafaela in Rom und Joyce in Berlin. Hier in Amsterdam war es Anabella. Sie
hatte weizenblondes Haar, eine Figur wie eine Göttin und eine Haut wie
Sahnekaffee. Anabella war ein Mischling, stammte aus einer der ehemaligen
holländischen Kolonien und hatte einen Charme an sich, mit dem sie ihn immer
wieder reizte.
Die Liebesdienerin schlüpfte in einen
rubinroten Samt-Hausmantel, dessen Kragen, Saum und Manschetten mit
eingefärbten Schwanzfedern besetzt waren.
Sie sah darin aus wie eine Filmdiva.
Anabella öffnete die Tür. Im Haus war es
still und dunkel. Das der Wohnungstür gegenüberliegende Fenster führte den
Blick über die Gracht hinüber zur anderen Straßenseite. An der Ecke der Brücke
stand eine altmodische Laterne, deren Licht durch den unaufhörlichen Regen trüb
und verwaschen wirkte.
»Willst du bei diesem Sauwetter wirklich
gehen ?« erkundigte sie sich mit zarter Stimme und
schlang ihre warmen, weichen Arme um seinen Hals. Sie führte ihre duftenden,
halb geöffneten Lippen von seiner Nasenspitze über die Wangen und dann zu
seinem rechten Mundwinkel hinunter. »Du kannst noch bleiben. Mein Bett bleibt
leer heute nacht. Du weißt, wenn du zu Besuch kommst, dann ist da kein anderer
mehr, der dich ablöst .«
»Es war sehr schön. Aber ich habe meine
Prinzipien, von denen weiche ich nicht ab. Ich bin über Nacht grundsätzlich im
Hotel. Außerdem muß ich morgen schon früh raus. Ich will dir nicht zumuten, um
fünf aus den Federn zu kriechen und mir Kaffee zu kochen. Ich bin in zwei oder
drei Tagen wieder zurück. Halte dir schon mal den Samstagabend frei. Am Sonntag
fliege ich nach Paris .«
Claude Moran war in Antiquitäten unterwegs. Zweimal
im Jahr kaufte er ein. Bei Händlern und Privatleuten. Dann reiste er eine Woche
lang durch Stadt und Land, erwarb alte Möbel, Musikinstrumente, Bilder, Bücher,
Grammophone, Silbergeschirr und Nippes, stellte zwei bis drei LKW-Ladungen voll
zusammen und kehrte nach Paris zurück. Sein Geschäft florierte.
Moran ging auf der schmalen Holztreppe hinter
Anabella her.
Die Exotin hatte die Tür zu ihrer Wohnung
halb offen gelassen und im Hausflur kein Licht angeknipst. Nur der Schein einer
Stehlampe schimmerte auf den Hausflur und ließ Stufen und kahle Wände erkennen.
Anabella plauderte halblaut mit ihrem Kunden,
den sie bis zur Haustür geleitete. Sie kam nicht auf die Idee, einen Blick in
den Hausflur hinter die nach oben führende Treppe zu werfen.
Dort stand in die Ecke gepreßt eine
hochgewachsene, hagere Gestalt, die sich von der Dunkelheit kaum abhob.
Nosferata . . .
Die Vampirin lauschte den Stimmen nach, die
sich weiter unten verloren und setzte sich dann lautlos in Bewegung. Ein wenig
nach vorn gebeugt schlich sie an der grauen Wand entlang und kam neben der Tür
zu Anabellas Wohnung an.
Das Lachen der Liebesdienerin klang wie das
Gurren einer Taube.
Nosferata huschte geduckt in die leere
Wohnung. Zwischen den Füßen der Vampirin glitten zwei, drei Ratten mit in das
Apartment.
Anabella und Claude Moran bekamen von allem
nichts mit.
Der Franzose klemmte seine Tasche unter den
Arm und spannte den Regenschirm auf.
»Wo steht dein Wagen ?« erkundigte sich Anabella.
»Da drüben, gleich an der Ecke. Es sind nur
ein paar Schritte .«
Anabella blieb in der Tür stehen und blickte
dem Davongehenden nach.
Claude Moran startete einige Sekunden später.
Er sah den Mann nicht, der im dunklen Viereck des Hauses stand und dessen Augen
nur zu leben schienen. Dr. Satanas beobachtete die Abfahrt des
Antiquitätenhändlers ebenso wie Anabella .
Die drückte dann die Haustür hinter sich zu
und lief nach oben.
Sie betrat ihre Wohnung, verriegelte sie,
kleidete sich aus und stellte sich unter die Dusche. Sie brauste so heiß wie
möglich, schlang dann ein Frotteetuch um ihren Körper und ging ins
Schlafzimmer. Die Einrichtung war schwülstig, mit viel Vorhängen, Rüschen und
dicken
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