1484 - Der Teufel von Venedig
Kommentars enthielt und seine Augen geschlossen hielt.
Die öffnete er erst wieder, als er das Buckeln der Räder spürte. Wie aus dem Nichts war plötzlich die Landebahn erschienen.
»Wieder wach?« fragte ich.
Suko gähnte in seine Handfläche hinein. »Zur Hälfte. Wie war denn der Flug, Alter?«
»Super. Ich hatte einen freien Blick auf die Alpen.«
»Wie schön für dich. Ich habe da mehr nach innen geschaut.«
»Und dabei geschnarcht.«
»Ach ja?«
Ich winkte nur ab. Da wir unsere Plätze recht weit vorn hatten, dauerte es nicht lange, bis wir den Copiloten erreichten, der uns mit einem gequälten Lächeln die Waffen zurückgab.
»Dann viel Spaß in der Lagune.«
»Mal sehen«, sagte ich.
»Oder müssen Sie Killer jagen?«
Ich winkte ab. »Das machen wir doch ganz nebenbei. Da brauchen Sie keine Sorgen zu haben.«
Venedigs Flughafen Marco Polo ist nicht besonders groß, aber man hat von hier aus einen prächtigen Ausblick auf das Wasser und auf die darin liegende Stadt mit ihren Inseln.
Boote huschten über die wellige Fläche hinweg. Manche, die zu den Hotels gehörten, steuerten den Pier an der Landebahn an, um Hotelgäste zu übernehmen.
Es gab auch die größeren Linienboote, die Vaporettos, die Menschen und Gepäck aufnahmen. Sie brachten sie zu den verschiedenen Haltepunkten, wo dann ein ständiges Aussteigen und Ausladen vorherrschte.
Eine Fahrt mit einem dieser Boote konnten wir uns sparen, denn es gab jemanden, der uns abholte, noch bevor wir durch die Zollkontrolle mussten. Da stand Commissario Orbino und lächelte uns aus seinem sonnenbraunen Gesicht mit dem Dreitagebart entgegen. Er hatte dunkelbraunes, welliges, nach hinten gekämmtes dichtes Haar, eine hohe Stirn und braune Augen, die freundlich funkelten.
Ein schwarzes Hemd, eine hellbraune Lederjacke und eine Cordhose bildeten sein Outfit. Er war etwas kleiner als Suko, und wenn er mich anschaute, musste er schon seinen Blick heben.
»Willkommen in der Stadt der Träume, Kollegen. Und sagen Sie jetzt nicht Albträume.«
»Wie kämen wir dazu?« fragte ich, und danach mussten wir zu dritt lachen.
Wir gaben dem sympathischen Burschen die Hand. Sein Druck war fest und flößte Vertrauen ein.
»Hat ja alles perfekt geklappt.«
Ich wies zum Himmel. »Und es ist noch nicht dunkel geworden. Ich sehe das italienische Blau.«
»Azzurro zwischen den weißen Wolken. Ich nenne sie unsere Himmelsschiffe. Romantisch, nicht?«
»Und das bei einem Commissario.«
»Das genau sagen meine Vorgesetzten auch immer. Dann wollen wir mal abdampfen.«
Das Boot stand bereit. Am Zoll hatte man nur gegrinst, und ein Carabiniere nahm so etwas wie Haltung an, als wir an Bord gingen.
»Wo geht es denn hin?« fragte Suko.
»San Marco.«
»Oh, mitten in das Touristenherz.«
Ablegen konnten wir noch nicht, weil ein Zöllner noch unsere Reisetaschen brachte. Dann war alles okay. Wir standen nicht, sondern hatten es uns auf Sitzbänken unter einem Holzdach gemütlich gemacht. Wäre nicht das Schaukeln und das Klatschen der Wellen gewesen, wir hätten den Eindruck haben können, uns in einem Streifenwagen zu befinden, denn hier fand sich ungefähr die gleiche Ausrüstung. Es gab Funk, einen PC, und an der Wand hingen Handschellen.
»Gemütlich«, sagte ich.
»Nach dreißig Jahren denken Sie anders darüber, John.« Orbinos Blick wechselte zum Bildschirm. »So, dann wollen wir doch mal sehen, ob neue Informationen eingetroffen sind. Es ist ein Wunder, dass die Presse noch keinen Wind von allem bekommen hat. Es könnte sogar sein, dass es noch mehr Vermisste gibt. Nicht jeder meldet alles.«
»Und die Frauen, die vermisst werden?« fragte Suko. »Ich meine, die auch gemeldet sind.«
»Keine Spur.« Er hob die Schultern. »Wir haben vier Namen und auch vier Fotos.« Er tippte auf der Tastatur herum, und auf dem Bildschirm erschienen die vier Bilder.
Nur Frauen. Wenn man den Fotos trauen konnte, dann war keine von ihnen älter als dreißig Jahre. Junge Menschen, die es nach Venedig getrieben hatte, weil sie weg aus ihrer ländlichen Umgebung wollten, um mal etwas anderes zu sehen.
Ich deutete auf das Bild mit dem Namen Virna. »Das war die Freundin unseres Kollegen. Er hat ja praktisch den Mord oder die Entführung mit eigenen Augen gesehen.«
Orbino schaute mich schräg von der Seite her an. »Scusi, John, glauben Sie das?«
»Warum sollte er lügen?«
Orbino fasste mit Daumen und Zeigefinger an seine Nase. »Ja, warum, da haben Sie schon Recht.
Weitere Kostenlose Bücher