1484 - Der Teufel von Venedig
leichte Warnung erlebte ich auch jetzt.
Hier war etwas. Ob es nur an Claudia Amalfi lag, wusste ich nicht.
Aber es war permanent vorhanden. Zudem war vom Teufel gesprochen worden, und der hatte hier bestimmt seine Zeichen hinterlassen.
Noch war der Fall nicht gelöst. Aber ich wusste, dass ich die Lösung bei Claudia Amalfi finden würde. Von ihr ging alles aus. Sie hatte den Palazzo verändert.
Und sie trat aus dem Schrank! Ich hatte den Eindruck, dass etwas sie störte, denn sie ging nicht weiter. Vor dem Möbelstück blieb sie stehen und starrte nach vorn wie jemand, der etwas sucht.
Hatte sie was bemerkt? Suchte sie etwas? War ihr was aufgefallen?
Hatte ich einen Fehler begangen?
Ich fand keine Antwort auf die Fragen, und ansprechen wollte ich die Person auch nicht. Ihr Gesicht hatte den harten Ausdruck nicht verloren. Sie wirkte mit ihren blonden Haaren wie ein eiskalter Engel aus dem Reich der Toten. Es ging keine menschliche Wärme von ihr aus. Sie hatte sich auf die andere Seite geschlagen, und dort würde sie auch bleiben und nie mehr den Weg zurück finden.
Ich kannte derartige Menschen, die sich auf einen falschen Weg begeben hatten. Ich wusste es und verhielt mich weiterhin still.
Dann hörte ich sie flüstern, aber ich verstand nicht, was sie sagte.
Einmal fiel wohl das Wort Teufel.
Danach ging sie vor. Sie hatte sich wohl damit abgefunden, nichts Ungewöhnliches in ihrer Nähe zu entdecken.
Ich blieb in meiner Deckung. Die Rückfront des Sessels war breit genug. Sie hätte sogar noch einem zweiten Menschen Sichtschutz bieten können.
Claudia Amalfi trug immer noch ihren dunklen Hosenanzug, der ihren Körper noch mehr streckte. Sie war keine Person mit fraulichen Proportionen, das war selbst unter dem Stoff des dunklen Anzugs gut zu erkennen. Sie war eine Frau, die auch als Mann hätte durchgehen können, und als sie jetzt ging, wirkten selbst ihre Schritte männlich.
Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Lange konnte ich nicht mehr in meiner Deckung bleiben. Ich musste mich zeigen, um mehr von ihr zu erfahren.
Sie blieb auch recht bald stehen. Und sie hatte einen bestimmten Punkt erreicht, denn sie stand genau vor einem der Bilder. Und das hier zeigte ein besonderes Motiv.
Auch wenn ich einige Schritte von ihr entfernt war, fiel mir auf, dass sie das Bild regelrecht anhimmelte. Und nicht nur das. Sie redete sogar damit, sie sprach es an, als stünde sie vor einem lebendigen Menschen.
»Ich bin ich. Du bist du. Aber du bist auch ich. Und in mir steckt der Teufel!«
Ich hatte jedes Wort verstanden. Mir war jetzt auch klar, warum sich mein Kreuz bemerkbar gemacht hatte. Die Dinge sahen jetzt ganz anders aus. Trotz ihrer menschlichen Gestalt gehörte Claudia Amalfi mit Haut und Haaren der anderen Seite an, sonst hätte sie diese Worte nicht zu ihrem eigenen Gemälde sprechen können.
Die Spannung in mir stieg weiter. Ich riskierte es und richtete mich auf, weil die Amalfi voll mit der Betrachtung des Gemäldes beschäftigt war.
Mein Kreuz holte ich noch nicht hervor. Ich wollte sie damit überraschen und schlich auf Zehenspitzen näher.
»Du hast mir die Macht gegeben. Ich habe dir vertraut, und du hast versprochen, mich zu beschützen. Ich weiß, dass die Masken von dir stammen, sie sind so etwas wie ein Erbe. Du hast sie mir überlassen, sodass aus Toten wieder Lebende werden, sie dann in deinem Sinne handeln, ebenso wie ich. Es ist wunderbar, den jungen Frauen und Mädchen beim Tanzen zuzusehen und daran zu denken, dass ich sie mir aussuchen kann. Sie kommen alle freiwillig zu mir, aber sie ahnen nicht, bei wem sie sind. In der Zukunft wirst du sehr viele Dienerinnen bekommen, das kann ich dir versprechen. Ich habe mir bereits einige ausgesucht, und ich werde sie in dein Reich kommen lassen. Die ersten vier sind in dieser Nacht unterwegs, um noch eine Fremde zu holen. Es fällt nicht so auf, wenn sie vermisst werden, aber ab morgen werde ich jede Rücksicht fallen lassen, denn so habe ich schon bei meinem Bruder gehandelt. Er hat nichts begriffen, und deshalb musste er das Gift schlucken.«
Sie kicherte zuerst, dann veränderte sich das Geräusch und wurde zu einem hässlichen Lachen.
Mir war das sehr recht. Im Schutz dieses Geräuschs bewegte ich mich voran, verkürzte die Entfernung zwischen uns und stand plötzlich hinter der Frau, die meine Stimme hörte.
»Glauben Sie wirklich, dass alles so eintreffen wird, Signora Amalfi?« fragte ich…
***
Niemand von der
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