1495 - Die Generalprobe
Vermutung recht. Lingam Tennar suchte den speziell für ihn eingerichteten Kraftraum auf und vollzog zwei Stunden lang sein intensives Körpertraining. Danach marschierte er kraftstrotzend in den Kommandoraum und baute sich dicht vor dem Piloten des Schiffes auf. „Es gibt sehr wenig Bäume auf Phoebe", erklärte er feierlich. „Ich will sie denjenigen überlassen, die ab und zu ein Bein heben wollen. Dafür hat es Felsgebirge ganz nach meinem Geschmack."
„Du bist im Einsatz und hast eine Aufgabe!" Putar versuchte, den zwergenwüchsigen Artgenossen mit dem Klang seiner Stimme zu beruhigen. Für einen Augenblick hatte er sogar Erfolg damit. Tennar schwieg, aber sogleich donnerte er erneut los. „Ich werde den beiden da draußen ein wenig zur Hand gehen!" verkündete er und machte sich auf den Weg. Putar verfolgte ihn über die Innenkameras, und er dachte, daß es vielleicht ganz hilfreich sei, wenn er jetzt ein Stoßgebet zur Göttin Yuba losließe. Vielleicht geschah wirklich ein Wunder, und sie erhörte ihn, obwohl sie ja die Schutzgöttin Tennars war.
Der Zwerghaluter erreichte eine der Schleusen und schloß seinen grünlila gestreiften Kampfanzug. Er prüfte die leuchtenden Kreisflächen der Versorgungsgeräte, die wie winzige Sonnen an seiner Brust klebten. Dann stapfte er in die Schleuse hinein und wartete, bis sich das Innenschott geschlossen hatte. „Syntron, was tut er genau?" fragte Anig Putar. „Er aktiviert die Magnetsohlen seines Anzugs und steig auf die Oberfläche des Schiffes hinaus!" meldete der Schiffscomputer.
Der Ausschlag auf dem Bebenmesser sagte genug. Putar bildete sich ein, das Dröhnen von Tennars Schritten bis herein in den Kommandoraum zu hören.
*
Sie konnte nicht schnell genug durch die Schleuse kommen. Sie riß sich den SERUN vom Leib und hörte nicht auf den Protest des Pikosyns. „Halte mir diesen Haluter vom Leib!" schrie sie Notkus an. „Hast du gehört? Ich verliere noch den Verstand! Trampelt da draußen herum und mischt sich überall ein. Ich habe mich keine Sekunde auf unsere Aufgabe konzentrieren können. Verstehst du?"
Notkus stand da wie ein begossener Pudel. Sein Kehlkopf bewegte sich hin und her. Er schluckte und schluckte und brachte keine Antwort heraus. Er wandte sich zur Seite und musterte die Anzeigen am Bedienungsterminal. Lingam Tennar machte keine Anstalten, ihnen in das Schiff zu folgen. Von irgendwoher drang das Dröhnen seiner Stiefel an ihre Ohren. „Es steht zu viel auf dem Spiel!" fuhr Enza ihn an. „Wieso blockierst du nicht endlich die Schleuse? Tu etwas, verdammt!"
Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie sie schwankte. Sie stützte sich an der Wand des Korridors ab und schloß die Augen.
Auch das noch! dachte Notkus. Sie ist krank! Wieso hat der dämliche Pikosyn es noch nicht festgestellt!
Er fing ihren Körper auf und bettete ihn vorsichtig zu Boden. Ein dankbarer Blick traf ihn. Enzas Gesichtsausdruck entspannte sich übergangslos. Notkus sagte kein Wort. Er wußte, daß die Medoroboter bereits verständigt waren. Es dauerte keine dreißig Sekunden, bis sich eine der Maschinen näherte und eine Antigravliege neben ihr ausbreitete. Vorsichtig hob Notkus ihren Körper empor und ließ ihn auf die Luftpolster gleiten. Enza legte den Kopf zur Seite und atmete gleichmäßig und flach. „Danke!" hauchte sie, und er runzelte die Stirn. „Weißt du, daß du dich noch nie bei mir für etwas bedankt hast?"
„Bist du ganz sicher?"
„Nein. Aber manchmal habe ich den Eindruck, daß es so ist!"
„Es liegt vermutlich an mir, Notkus. Aber warum kriegst du dein dämliches Maul nicht auf, wenn es erforderlich ist?"
„Weil ich es nicht kann. Siehst du, jetzt reden wir schon wieder über Dinge, die früher zwischen uns unausgesprochen blieben. Ich sehe schwarz für unsere Begabung."
„Darüber mache dir keine Sorgen!"
Er folgte der Liege bis in die Medostation. Quasi unter seinem Gesäß bildete sich ein Formenergiesessel, und er blieb darin sitzen und beobachtete, wie die Roboter sich um Enza kümmerten. Sie holten das nach, was der SERUN hatte tun wollen. Sie verabreichten ihr kreislaufstabilisierende Mittel und unterzogen sie erneut einem gründlichen Check. Das Ergebnis lautete wie beim ersten Zusammenbruch. Enza war kerngesund, die Ursachen für ihre Schwäche waren im psychischen Bereich zu suchen.
Notkus verstand es, und die Fragen stauten sich in ihm zu einer schier unüberwindbaren Mauer auf. Er beugte sich über sie, sie
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