1498 - Horrortrip des Sensenmannes
abstatten.«
»Ganz wie du willst, Jane.«
***
Für Mabel Cramer war es die Nacht des Grauens geworden.
Sie fühlte sich aus dem normalen Leben herausgerissen. Zwar lag sie im Bett, aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere, und vor ihrem geistigen Auge entstanden die schrecklichsten Bilder, in denen ein Sensenmann die Hauptrolle spielte. Er schwang seine Sense, verfolgte die Menschen und köpfte sie. Blut spritzte oder schoss aus kopflosen Leibern hervor, bis es den Himmel rötete.
Im Halbschlaf hatte Mabel Cramer sogar das Gefühl gehabt, das Blut riechen zu können. Da lag der bittere Geschmack auf ihrer Zunge wie eine dicke Schicht.
In Schweiß gebadet erwachte sie. Sie schrie dabei auf, und als die Schreie verklangen, hörte sie ihr hartes Keuchen. Aus fiebrigen Blicken schaute sie sich um und war froh, nicht in einer mit Blut getränkten Welt zu liegen, sondern in ihrer kleinen Wohnung zu sein, in der sie sich wohl fühlte.
Sie saß länger im Bett als üblich. Die Vorhänge waren nur zur Hälfte zugezogen. Durch den Spalt stellte sie fest, dass es draußen noch dunkel war.
Soeben hatte die sechste Morgenstunde vom Tag Besitz ergriffen.
Bis sich die Helligkeit ausgebreitet hatte, würde es noch dauern, und dann begann wieder für sie der neue Tag.
Mabel Cramer konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals in der Dunkelheit gefürchtet zu haben. Jetzt hoffte sie darauf, dass der Tag die Nacht so bald wie möglich verdrängte und sie das künstliche Licht abschalten konnte. Die Lampe hatte die gesamte Nacht über gebrannt, das war für sie wichtig gewesen. In der Dunkelheit wäre sie sich wie eine Gefangene vorgekommen, und das wollte sie auf keinen Fall sein.
Nach einer Weile wurde der Schweiß auf ihrem Körper ihr unangenehm. Das Nachthemd klebte auf ihrer Haut fest, so sehr hatte sie geschwitzt, und sie fühlte sich äußerst unwohl.
Dagegen half eine Dusche. Sie würde dadurch auch wacher werden. Dann brauchte sie einen Kaffee, und später wollte sie sich mit Phil Bennett zusammensetzen und darüber reden, was vor ihnen lag. Aber sie wollte auch über die vergangenen Abend sprechen.
Den Kopf hatte sie inzwischen entsorgt. Er lag in einem der Container im Keller. Einmal im Monat wurden immer die vollen gegen leere ausgetauscht.
Als sie aufstand spürte sie erneut den Schwindel. Am Kreislauf lag das nicht. Es waren die Geschehnisse, die bei ihr noch nachwirkten.
Sie atmete mit geschlossenen Augen einige Male tief durch und stellte fest, dass es ihr danach besser ging.
Der Weg ins Bad war nicht weit. Drei Schritte reichten ihr bis zur Tür. Da es neben dem Schlafzimmer lag, konnte sie fast vom Bett aus unter die Dusche springen.
Im Bad hebelte sie das hoch liegende Fenster spaltbreit auf. So konnte die kühle Morgenluft einströmen und den leicht muffigen Geruch vertreiben.
Ihr stand eine geräumige Duschkabine zur Verfügung. Aus der hohen Decke ragte die große Brausetasse. Das Wasser fiel auf sie und ihre Haube nieder, die sie aufgesetzt hatte, damit ihre Haare nicht nass wurden.
Sie regulierte die Temperatur und ließ die harten Strahlen auf sich nieder prasseln.
Es war für Mabel Cramer eine Wohltat, diese Strahlen zu genießen. Sie massierten ihre Haut. Sie prallten wie feste Körner gegen ihr Gesicht, und das Wasser rann schwallartig über ihren Körper.
Später seifte sie sich ein, knetete die Haut durch und glaubte, alle die Schrecken der Nacht durch die fallenden Strahlen abspülen zu können.
Sie dachte an Phil Bennett. Mit ihm wollte sie an diesem Morgen den im Internat gebliebenen Schülern einige Fragen stellen. Es war durchaus möglich, dass der eine oder die andere in der letzten Nacht etwas bemerkt hatte, was wichtig sein konnte. Die Polizei einzuschalten, daran dachte sie auch jetzt nicht. Man hätte sie nur ausgelacht.
Mabel Cramer stellte die Dusche ab. Ein paar wenige Tropfen fielen noch nach, dann war es vorbei.
Sie stieg aus dem Rechteck mit den gläsernen Wänden und erschauderte für einige Sekunden, denn die Luft hier war doch kühler als in der Dusche.
Der hellgrüne Bademantel lag bereit. Sie war froh, sich in den dicken, flauschigen Mantel einwickeln zu können und zog ihn hoch bis über die Schultern.
Dann schüttelte die den Kopf, legte sich dabei zurück und schaute hoch zur Decke.
Innerhalb von Sekunden wurde sie zu Eis.
Grüne Kacheln, aber eine hellbraune Decke. Und genau dort zeichnete sich etwas
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