1499 - Rattenwelt
Mordkommission, die Spurensicherung und so weiter.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann es Ihnen nicht sagen, aber es könnte sein.«
»Wir werden sehen«, sagte ich. »Bis später.«
Wir hatten noch ein Stück zu gehen, um das Haus zu erreichen, in dem es passiert war. So konnten wir eine kurze Unterhaltung führen.
»Was sagst du dazu, John?«
»Die Ratten wollen Menschen. Sie überfallen sie, und zurück bleiben Skelette.«
»Warum?«
Ich lachte auf. »Wenn ich das wüsste.«
»Normal ist das nicht. Ich bin keine Expertin für diese Nager, aber Menschen greifen sie nur im Extremfall an. Wenn sie starken Hunger haben und sich in die Enge gedrängt fühlen. Hier ist alles auf den Kopf gestellt worden, verdammt. Da fallen die Tiere über die Menschen her und töten sie. Sie fressen ihnen die Haut und das Fleisch von den Knochen, und zurück bleiben Skelette. Was soll das bedeuten? Wieso tun sie das? Ich kann mir beim besten Willen keinen Grund dafür vorstellen.«
»Ich auch nicht, Jane, noch nicht. Ich bin nur sicher, dass sie es nicht aus eigenem Antrieb tun. Dass etwas oder jemand dahintersteckt.«
»Du meinst so etwas wie einen Rattenkönig?«
»So ähnlich.«
»Dann gehören die Angriffe zu einem Plan, fürchte ich.« Jane schüttelte den Kopf, als wollte sie es nicht wahrhaben. Danach gab es zunächst nichts mehr zu sagen.
Natürlich war unser Erscheinen nicht unbeobachtet geblieben. Vor dem Tatort hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, die miteinander sprachen und uns musterten. Sie wagten aber nicht, uns anzusprechen.
In der offenen Tür stand ein Mann, der wohl zur Feuerwehr gehörte, jedoch keine Uniform trug. Er war ziemlich blass im Gesicht.
Seinen Augen sahen wir an, dass er geweint hatte.
»Was wollen Sie?«
»Constabler Proctor sprechen.« Ich zeigte ihm meinen Ausweis.
»Scotland Yard.«
Bei diesem Begriff zuckte er leicht zusammen. Den Ausweis betrachtete er kaum.
»Bitte, er ist da.«
»Danke.«
Ich ging an ihm vorbei. Jane Collins blieb noch stehen. »Wie ist Mr. Proctor denn drauf?«
»Nicht eben gut.«
»Danke.«
Wir fanden Proctor in seinem Office. Der Constabler saß hinter seinem Schreibtisch, schaute ins Leere und blickte kaum auf, als wir das Büro betraten.
Erst als Jane sich laut räusperte, zuckte er zusammen und hob auch seinen Blick.
»Wer sind Sie denn?«
Bevor ich irgendwelche Erklärungen abgab, ließ ich wieder meinen Ausweis sprechen.
»Oh, Scotland Yard?« Der Constabler schüttelte den Kopf, als könnte er es selbst nicht glauben. »Wie – ähm – wie ist das möglich?« Er bewegte hektisch seine Hände auf der Platte des Schreibtisches. »Ich habe Sie nicht angerufen und…«
»Zufall«, erklärte ich. »Alles ist reiner Zufall. Wir hatten in der Nähe zu tun und sind rein zufällig über diese Rattenpest gestolpert.«
Er nickte. »Setzen Sie sich doch bitte«, sagte er, wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn und streckte mir dann die Hand entgegen. »Edwin Proctor ist mein Name. Ich bin Constabler hier. Irgendwie bin ich sogar froh, dass ich mit jemandem über diese furchtbare Sache reden kann.«
Ich stellte mich und Jane vor und sagte dann: »Und wir bieten Ihnen unsere Hilfe an.«
Seine Gestalt versteifte sich. Er wusste noch nichts zu sagen, bis er flüsterte: »Wobei wollen Sie mir helfen?«
»Bei der Mördersuche«, erwiderte Jane Collins für mich.
»Bitte?«
»Ja, wie wir hörten, haben Sie in der Zelle einen Toten gefunden. Diesen Miller.«
Er nickte. »Heute Morgen. Und ich sah eine letzte Ratte, die durch das Fenster verschwand. Mir blieb nur die eine Folgerung: Diese Ratten haben Miller umgebracht.«
Er lehnte sich zurück und sagte kein Wort mehr, schaute uns nur an. Dabei wunderte er sich, dass wir nichts erwiderten, und so flüsterte er: »Sie glauben mir?«
»Warum nicht?«
Er zuckte vor mir zurück. »Aber das kann ein normaler Mensch nicht glauben. Das ist unmöglich, Sir. Kein normaler Mensch würde mir zustimmen, und Sie tun es.«
»Ja, und das ist kein Spaß.«
»Gut«, sagte Proctor, »bleiben wir dabei. Ich habe ihn entdeckt, aber ich habe diesen Fund noch nicht weitergemeldet. Ich war einfach zu fertig mit den Nerven. Jetzt geht es wieder.« Er griff zu einem Glas und trank einen Schluck Wasser. »Ich bin okay, zumindest halbwegs, stehe aber noch immer vor einem Rätsel. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Überlassen Sie es uns«, sagte ich.
»Was? Sie wollen einen vierbeinigen
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