15 - Geheimagent Lennet und das Kommando Sonderurlaub
so... Halt, Lennet! Wohin wollen Sie denn?«
»Entschuldigen Sie mich bitte, ich komme gleich wieder!« Alle Gäste waren bereits gegangen. Am Büffet gähnte ein Kellner und wartete darauf, daß sich der junge Mann dem Professor anschließen würde. Doch Lennet lief zu ihm.
»Wo ist hier bitte das Telefon?« Er konnte nicht mehr bis zum nächsten Morgen warten!
Die verschlüsselte Nachricht
»Wollen Sie damit sagen, daß ich zwei Monate lang den Narren in dieser Komödie gespielt habe?« fragte Marais, als Lennet ihm von dem Gespräch mit Hauptmann Montferrand berichtet hatte.
»Ich würde es nie wagen...«
»Entschuldigen Sie sich nicht. Sie haben sogar recht. Ich wollte Didier eins auswischen, und jetzt bin ich selber angeschmiert! War Ihnen der Hauptmann böse, daß Sie ihn mitten in der Nacht geweckt haben?«
»Er ist es gewöhnt.«
»Gut. Dann rufen Sie ihn bitte noch einmal an und sagen Sie ihm, ich würde jetzt zur Abwechslung vernünftig sein und seine Anweisungen befolgen.« Der Plan, die Crencks zum Essen einzuladen, war fallengelassen worden. Als Julie am nächsten Tag beim Professor erschien, war er fest entschlossen, mit den spiritistischen Sitzungen fortzufahren.
»Wie Sie sehen, Professor, bin ich in Arbeitskleidung erschienen", sagte Madame Crencks geziert. Sie trug einen rosafarbenen Overall.
»Liebe Freundin, ich werde Sie in mein Arbeitszimmer begleiten, aber dann muß ich Sie einen Augenblick allein lassen, wenn Sie gestatten. Ich muß einen dringenden Anruf erledigen, und wie Sie wissen, befindet sich das Telefon im Salon.«
»Aber Professor, fühlen Sie sich hier wie zu Hause!« scherzte Madame Crencks.
Marais führte sie über die große Treppe mit dem schmiedeeisernen Geländer in den ersten Stock und dann über die schmale Holztreppe hinauf zum Dachboden, wo sich sein Arbeitszimmer befand.
Für den, der die schusselige Art des Professors kannte, war es eine Überraschung, hier oben eine perfekte Ordnung vorzufinden. Die Glasschränke enthielten Reagenzgläser, säuberlich beschriftete Flaschen sowie Bücher. Ein Destillierapparat, zwar etwas veraltet, aber offenbar in gutem Zustand, stand auf einer Keramik-Arbeitsplatte. In einer Ecke befand sich ein Zeichentisch, in einer anderen ein wuchtiger Schreibtisch.
»Ist Ihre reizende Tochter nicht da?« fragte Julie Crencks.
»Nein. Sie wissen ja, liebe Freundin, junge Leute halten es nie lange im Haus aus.«
»Ist der junge Mann, der Sie gestern begleitete, ein Freund von ihr?«
»Ja, sie sind zusammen ausgegangen.« Marais öffnete einen Wandschrank, und zum Vorschein kam ein Tisch, der dem aus dem Erdgeschoß glich, wie ein Ei dem anderen. Dann ging der Professor hinaus und rief seinen Freund und Kollegen Bloch an - ein Anruf, der übrigens keineswegs so dringend war.
Inzwischen trat Madame Crencks zum Schreibtisch, nachdem sie sich zuvor prüfend im Zimmer umgesehen hatte. Die Schreibtischplatte war leer, nicht ein Stück Papier lag herum.
Sie öffnete eine Schublade: nur Zettel mit chinesischen Rätseln.
Eine andere dagegen quoll von Scherzartikeln über. Dann fiel ihr Blick auf den Zeichentisch. Ein großes Blatt Millimeterpapier war darauf festgesteckt, auf dem man die Seitenansicht und den Querschnitt eines zylinderförmigen Körpers mit Flügeln erkennen konnte. Am Rande der Zeichnung waren einige Berechnungen säuberlich notiert. Madame Crencks lächelte.
»Der Schwachkopf läßt seine Pläne offen herumliegen!« Julie Crencks lächelte und machte sofort ein paar Aufnahmen
»Der arme Schwachkopf versteckt seine Rätsel, aber seine Pläne läßt er offen herumliegen!« murmelte sie vor sich hin. In aller Ruhe nahm sie einen winzigen Fotoapparat aus ihrer Handtasche und fotografierte den Plan. Um sicherzugehen, machte sie drei Aufnahmen. Sie ahnte nicht, daß eine zwischen zwei Büchern versteckte Kamera sie in diesem Moment ebenfalls fotografierte! Dann verstaute sie den Apparat wieder in ihrer Tasche und widmete sich dem Empire-Tisch. Sie nahm den Sockel ab, holte den Sender heraus, wechselte die Batterien und stellte ihn auf einen anderen Kanal ein. Anschließend setzte sie alles wieder zusammen. In diesem Augenblick kehrte der Professor zurück.
»Ich bin untröstlich, Sie so lange allein gelassen zu haben, liebe Freundin. Sie waren so freundlich, extra von Deauville hierherzukommen... Trinken Sie doch bitte ein Glas Portwein mit mir. Da fällt mir ein, wieviel schulde ich Ihnen für
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