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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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sich in Sa­ty­re und Fau­ne; sie wa­ren dann halb Tier, halb Mensch.«
    »Nun, ich ken­ne sol­che My­then, Le­po­lis. In der grie­chi­schen My­tho­lo­gie wim­melt es doch nur so von Sa­ty­ren und al­len an­de­ren Sor­ten von Wald­göt­tern so­wie Män­nern mit Zie­gen­köp­fen. Ich ver­ste­he aber im­mer noch nicht, wor­auf Sie hin­aus­wol­len, Le­po­lis.«
    »Die­se Krea­tu­ren ha­ben gött­li­ches Blut in ih­ren Adern, Mr. Tal­quist. Und dar­um sind sie un­s­terb­lich.« Tal­quists Au­gen wei­te­ten sich.
    »Was? Wol­len Sie da­mit viel­leicht sa­gen, daß sie be­fürch­ten, der Wald und der Al­tar könn­ten von ir­gend­wel­chen Fa­bel­we­sen be­wacht wer­den?«
    »Nein, nein, so et­was Kin­di­sches glaubt hier kei­ner«, ver­si­cher­te der al­te Mann. Tal­quist frag­te sich, ob er das ehr­lich mein­te.
    »Was macht Ih­nen dann Sor­gen, Le­po­lis?«
    »Nur das ei­ne: Als die Men­schen vor un­se­rer Zeit auf dem Al­tar ih­re Op­fer dar­brach­ten, er­hiel­ten sie ei­ne Ge­gen­ga­be. Ver­ste­hen Sie, was ich mei­ne? Sie ga­ben Blut und er­hiel­ten da­für von den Göt­tern Ge­schen­ke. Schreck­li­che Ge­schen­ke, Mr. Tal­quist.«
    Tal­quist starr­te den al­ten Mann an. »Was wol­len Sie da­mit sa­gen?«
    »Ich kann es schwer in die rich­ti­gen Wor­te fas­sen. Die An­be­ten­den woll­ten et­was von ih­ren Göt­tern. Sie woll­ten ge­nau­so un­s­terb­lich wie die Fau­ne und Sa­ty­re und Wald­nym­phen wer­den. Wenn die Göt­ter hin und wie­der mil­de ge­stimmt wa­ren, hin­ter­lie­ßen sie Amu­let­te auf den Al­tä­ren. Man sagt, daß die, die die Amu­let­te tra­gen, ver­än­dert wer­den.«
    Tal­quist schau­te den Al­ten mit leich­tem Un­be­ha­gen an. »Wol­len Sie mir er­zäh­len, daß Sie sol­chen Un­sinn glau­ben?« frag­te er.
    »Nein – nicht di­rekt«, ant­wor­te­te Pa­pa Le­po­lis ru­hig.
    »Dann füh­ren Sie mich zu dem Al­tar«, bat der jun­ge Ar­chäo­lo­ge be­stimmt.
    Der al­te Mann ver­mied es, Ro­ger Tal­quist in die Au­gen zu schau­en.
    »Ich zei­ge die­se Grot­te nie­man­dem«, mur­mel­te er. »Das ist un­ser Fa­mi­li­en­ge­heim­nis. Es ist für Sie bes­ser, ge­wis­se Din­ge nicht zu wis­sen. Ich war ein Narr, daß ich Ih­nen den Vor­schlag ge­macht ha­be.«
    Tal­quist bau­te wie in Ge­dan­ken ver­sun­ken einen klei­nen Hau­fen Drach­men auf dem Tisch auf. Le­po­lis schau­te schwei­gend auf die Mün­zen und schurr­te mit den Fü­ßen. Dann ver­zog sich sein Ge­sicht zu ei­nem Lä­cheln.
    »Ich bin ein al­ter Mann, Mr. Tal­quist. Ein al­ter, mü­der Mann. Mich strengt je­der Fuß­marsch an … aber wenn Sie so scharf dar­auf sind, wer­de ich Sie zu dem Al­tar im Wald füh­ren.«
    Tal­quist lä­chel­te ge­dul­dig. »Mor­gen?«
    »Mor­gen.«
    Es war ein selt­sa­mes Paar, das am nächs­ten Tag die Wald­we­ge ent­lang­ging. Der große, bär­ti­ge, in Lum­pen gehüll­te Pa­pa Le­po­lis, der den ge­pflegt ge­klei­de­ten Ro­ger Tal­quist durch die lang­sam her­ab­sin­ken­de Däm­me­rung führ­te.
    Je wei­ter sie fort­schrit­ten, de­sto dich­ter rück­ten die Bäu­me und Bü­sche zu­sam­men; und schließ­lich wur­de das Dickicht so un­durch­dring­lich, daß sich die letz­ten Son­nen­strah­len nur noch durch ver­ein­zel­te Lücken steh­len konn­ten. Zu­erst war Tal­quist dem al­ten Mann über lich­te Wald­we­ge ge­folgt, wo die Vö­gel fröh­lich von den Äs­ten zwit­scher­ten. Aber in­zwi­schen war das un­glei­che Paar längst in ei­ner grü­nen Dun­kel­heit un­ter­ge­taucht und bahn­te sich einen Weg durch das Dickicht. Hier gab es kein Le­ben mehr, son­dern viel­mehr ei­ne le­ben­di­ge Stil­le. Es war die Stil­le ei­ner fer­nen Ver­gan­gen­heit.
    Sie be­fan­den sich in dem tie­fen Wald ei­nes frü­he­ren Grie­chen­lands, der drei­tau­send Jah­re lang nicht ge­stört wor­den war. Hier konn­ten die Zen­tau­ren hin­ter dem Vor­hang der Dun­kel­heit pa­ra­die­ren und die Nym­phen über den von Wol­ken be­deck­ten Gip­feln zum Klang von ver­bor­ge­nen Lau­ten tan­zen. So stell­te es sich je­den­falls Tal­quist vor. Er dach­te träu­me­risch an die My­then, die ihm der Al­te er­zählt hat­te. Hier in die­se Ge­gend paß­ten sie und

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