15 Gruselstories
alleine gemacht. Aber die Mühe hätte sich gelohnt. Viele Leute hätten ihm schon gesagt, daß sich seine Wachsfiguren mit denen von Madame Tussaud messen könnten. Der Ansicht wäre er natürlich selber auch, aber man hört so etwas gern von anderen, wie? Er könnte selbstverständlich seine Figuren und Gruppen bei Madame Tussaud unterbringen, aber er würde es vorziehen, sein eigenes ruhiges Geschäft zu führen. Auf diese Weise würde er zwar nicht weltberühmt werden … aber man könnte doch nicht abstreiten, daß die Figuren gut wären, wie? Seine medizinischen Kenntnisse würden ihm dabei zustatten kommen … o ja, er hätte medizinische Kenntnisse, denn vor langer Zeit wäre er einmal Dr. Jacquelin gewesen …
Monsieur bewundere seine Frau, wie? Nun ja, das wäre nicht sehr verwunderlich, denn das hätten andere vor ihm auch schon getan. Sie wären auch regelmäßig gekommen.
Er hob beschwichtigend die Hände. Monsieur brauchte das nicht abzustreiten. Er, Jacquelin, wäre nicht so töricht, auf eine Wachsfigur eifersüchtig zu sein. Aber es wäre trotzdem eigenartig, daß so viele Männer zu ihr kämen; von denen einige noch nicht einmal etwas über das Verbrechen zu wissen schienen …
Das Verbrechen? Bertrand horchte auf. Irgend etwas lag bei der Erwähnung des Verbrechens in der Stimme des alten Mannes, das Bertrand veranlaßte, Fragen zu stellen.
Und der Alte war nur zu gern bereit, die Antwort zu geben.
»Sollte es möglich sein, daß Sie davon nichts wissen?« fragte er mit leichtem Erstaunen in der Stimme. Doch dann fuhr er rasch fort: »Aber natürlich – die Zeit vergeht, und die Presseberichte von damals geraten in Vergessenheit. … Die ganze Geschichte war alles andere als erfreulich … Als alles vorbei war, wollte ich nichts weiter als meine Ruhe haben. Das gelang mir auch prächtig, weil man mich zwang, meine Praxis aufzugeben. Daraufhin habe ich alle Brücken hinter mir abgebrochen und … nun ja, so landete ich schließlich hier. Ihr habe ich das alles zu verdanken …«
Er deutete mit dem Kopf auf die Statue und verzog seinen Mund.
»Sie nannten es damals den Jacquelin-Fall. Wegen meiner Frau, müssen Sie wissen. Ich hatte bis zur Gerichtsverhandlung nicht die leiseste Ahnung. Als ich sie heiratete, war sie noch sehr jung und zudem sehr allein in Paris. Ich wußte nichts von ihrer Vergangenheit. Ich hatte eine Praxis, die den größten Teil meiner Zeit in Anspruch nahm. Mir war niemals auch nur der kleinste Verdacht gekommen, daß mit ihr etwas nicht stimmen könnte … Sie hatte eine krankhafte Veranlagung, Monsieur , müssen Sie wissen. Mir als Arzt hätten gewisse Kleinigkeiten auffallen müssen … Aber ich war nicht ihr Arzt, sondern ihr Mann. Ich liebte sie und dachte mir nichts weiter.
Dann brachte ich eines Tages einen meiner Patienten ins Haus. Einen alten Mann, der sehr krank war. Sie pflegte ihn mit aufopfernder Fürsorge … Aber als ich eines Nachts spät nach Hause kam, war er tot. Sie hatte seine Kehle mit einem Operationsmesser durchschnitten. Wenn ich nicht lautlos hinter sie getreten wäre und mich auf sie gestürzt hätte, hätte sie weiter und weiter geschnitten … Sie wurde von der Polizei abgeholt. Bei der Gerichtsverhandlung kam dann alles heraus. Das von dem jungen Burschen, den sie in Brest um die Ecke gebracht hatte, und das von den beiden Ehemännern, die sie in Lyon und Liege ins Jenseits befördert hatte. Sie gab noch zwei weitere Morde zu und kam damit insgesamt auf fünf – Enthauptungen!
Für mich brach eine Welt zusammen. Das können Sie mir glauben. Ich war damals so viel jünger und unerfahren. Ich liebte sie. Und als sie zugab, daß sie mich als nächsten … da glaubte ich … doch lassen wir das.
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