15 Gruselstories
irgend jemand wie Michael Angelo – oder wie er heißt – einen Tip geben könnte?«
»Das könnte schon sein«, antwortete Mr. Cavendish und lächelte, »obwohl ich mich noch nie für Rennen interessiert habe.«
»Schluß damit!« Selbst in dem schwachen Kerzenschimmer zeichneten sich die hektischen roten Flecke auf Jaspers Gesicht ab. »Mir wird auch schon ganz schwindelig; aber das ist weiß Gott kein Wunder! Du redest wie ein Wahnsinniger, Ronald. In diesem Fall bleibt uns keine andere Wahl, als dich auch wie einen solchen zu behandeln.«
»Man sollte es nicht für möglich halten: Er zitiert Napoleons Geist herbei«, spöttelte Clara. »Ich möchte sagen, er ist wirklich verrückt. Graces Geist ist ihm nicht mehr gut genug, sagt er. Ich würde mich nicht wundern, wenn er uns einreden wollte, daß er jetzt seine Abende mit Cleopatra verbringt.«
»Ich kann dir versichern, man überschätzt diese Frau gewaltig«, sagte Mr. Cavendish milde. »Aber es kann sein, daß ich der Dame unrecht tue. Wir haben leider gewisse Sprachschwierigkeiten. Obwohl ich meine Meinung über sie nicht nur nach Gesprächen mit ihr gebildet habe.«
»Du tändelst also mit den berühmtesten Babies der Geschichte herum, wie?« Dell wurde plötzlich munter. »Das klingt ja sehr interessant. Über einige habe ich mir schon den Kopf zerbrochen und hätte gerne mehr gewußt, als in den Büchern steht. Ich denke da zum Beispiel an Madame Pompadour und Anne Boleyn.«
»Über sie möchte ich lieber nicht reden«, meinte Mr. Cavendish mit leichtem Schaudern. »Denn als ich jene junge Dame rief, hatte ich nicht bedacht, daß sie enthauptet worden ist. Sie erschien dann auch prompt mit ihrem Kopf unter dem Arm.«
Jasper unterbrach Mr. Cavendishs Ausführungen mit einem vernehmlichen Rülpser, dann wandte er sich an Ronald Cavendish mit jenem Lächeln, das er im allgemeinen für Kinder und Invaliden reservierte.
»Ronald, du mußt uns jetzt genau zuhören. Wir sind schließlich deine Familie. Wir haben Geduld mit dir gehabt. Viel Geduld!« Um das Ausmaß an Geduld zu veranschaulichen, warf er den Kopf in die Höhe und schaute in die Runde, wobei er eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem fetten Geier hatte, der auf einem Ast über seiner Beute hockt.
»Wir waren deinen exzentrischen Gepflogenheiten gegenüber mehr als tolerant«, fuhr Jasper fort. »Aber Außenstehende werden das Ganze kaum so nachsichtig beurteilen. Was meinst du, was die Leute sagen würden, wenn sie es erführen?«
»Nichts«, meinte Mr. Cavendish lakonisch. »Es sei denn, du erzählst ihnen etwas.«
»Ich fürchte, daß die Dinge einen Stand erreicht haben, wo es unverantwortlich wäre, länger zu schweigen. Du bist immerhin für ein – äh – beachtliches Vermögen verantwortlich. Sollten die Banken und Makler von deinen Spinnereien Wind bekommen, würden sie verrückt spielen.«
Jasper war noch nie ein guter Redner gewesen, dachte Mr. Cavendish, aber heute überbot er seine früheren Ansprachen noch an Langeweile. Edwin und Clara schienen schon kurz vor dem Einschlafen zu sein, und auch Harry war auf seinem Stuhl etwas zusammengesunken und hörte gewiß nichts. Nur Mr. Cavendish selbst hörte seltsamerweise interessiert zu.
»Auf was willst du hinaus?« fragte er plötzlich barsch.
»Verstehe mich recht, ich bin es nicht allein – es geht um uns alle. Wir haben uns vor dem Besuch bei dir zusammengesetzt und alles durchgesprochen. Wir sind übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, daß es das beste für dich wäre, aus dem aktiven Geschäft auszusteigen. Du wirst nicht jünger und bist vielleicht durch deine – äh – exzentrischen Angewohnheiten überbeansprucht. Für dich ist die Zeit gekommen, dich zur
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