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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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für das letz­te Es­sen ei­ne Ex­per­tin auf die­sem Ge­biet her­bei­zu­ru­fen.
    Mr. Ca­ven­dish schlich zur Kü­che, öff­ne­te die Tür einen Spalt und flüs­ter­te in die Dun­kel­heit: »Vie­len Dank, Lu­cre­zia.«
     

 
Die süße Puppe
     
    Ir­ma sah nicht wie ei­ne He­xe aus.
    Sie hat­te ein schma­les, eben­mä­ßi­ges Ge­sicht, ei­ne zar­te Pfir­sich­haut, blaue Au­gen und flachs­blon­de, glän­zen­de Haa­re. Au­ßer­dem war Ir­ma erst acht Jah­re alt.
    »Warum muß er sie nur im­mer so quä­len?« schluchz­te Miss Pall. »Weil er sie ei­ne ›klei­ne He­xe‹ nennt, hat sich die­ser Ge­dan­ke bei ihr fest­ge­setzt und ist all­mäh­lich zur fi­xen Idee ge­wor­den.«
    Sam Stee­ver ließ sich schwer in sei­nen quiet­schen­den Dreh­stuhl zu­rück­fal­len und fal­te­te sei­ne wuls­ti­gen Hän­de über dem di­cken Bauch. Ob­wohl der Rechts­an­walt kei­ne Mie­ne ver­zog, fühl­te er sich im höchs­ten Ma­ße un­be­hag­lich.
    Frau­en wie Miss Pall soll­ten nie­mals wei­nen, dach­te er. Ih­re Bril­len be­schla­gen sich dann, ih­re spit­zen Na­sen zu­cken, ih­re fal­ti­gen Au­gen­li­der rö­ten sich, ih­re stro­hi­gen Haa­re ge­ra­ten in Un­ord­nung.
    »Bit­te, be­ru­hi­gen Sie sich doch«, sag­te Sam Stee­ver sanft. »Viel­leicht könn­ten wir uns über die gan­ze An­ge­le­gen­heit ein­mal ver­nünf­tig un­ter­hal­ten …«
    »Da gibt es nichts zu un­ter­hal­ten.« Miss Pall schnüf­fel­te ver­däch­tig. »Ich wer­de nie wie­der zu­rück­ge­hen! Ich kann das nicht er­tra­gen. Und es gibt nichts, was ich da­ge­gen un­ter­neh­men könn­te. Der Mann ist Ihr Bru­der, und sie ist das Kind Ih­res Bru­ders. Ich bin nicht ver­ant­wort­lich. Ich ha­be wirk­lich al­les ver­sucht …«
    »Si­cher ha­ben Sie al­les ver­sucht.« Sam Stee­ver lä­chel­te so mil­de, als wä­re Miss Pall die Vor­sit­zen­de der Ge­schwo­re­nen. »Ich glau­be Ih­nen das gern. Aber ich kann trotz­dem nicht ver­ste­hen, warum Sie sich so auf­re­gen, mei­ne Da­me.«
    Miss Pall nahm die Bril­le ab und be­tupf­te ih­re Au­gen mit ei­nem Spit­zen­ta­schen­tuch. Dann warf sie den durch­näß­ten Klum­pen von Ta­schen­tuch in ih­re Hand­ta­sche, ließ das Schloß zu­schnap­pen, rück­te ih­re Bril­le wie­der ener­gisch zu­recht und saß steif auf­ge­rich­tet da.
    »Al­so gut, Mr. Stee­ver«, sag­te sie. »Ich wer­de mein Bes­tes tun, um Ih­nen ge­nau zu er­klä­ren, warum ich den Pos­ten bei Ih­rem Bru­der auf­ge­be.«
    Sie konn­te ein ver­spä­te­tes Schnüf­feln nicht zu­rück­hal­ten. Dann fuhr sie fort:
    »Wie Sie wis­sen, bin ich auf Grund ei­nes Stel­len­an­ge­bo­tes als Haus­häl­te­rin vor zwei Jah­ren zu John Stee­ver ge­kom­men. Ich war zu­erst et­was ver­stört, als ich fest­stell­te, daß ich haupt­säch­lich als Gou­ver­nan­te für ein sechs­jäh­ri­ges mut­ter­lo­ses Kind tä­tig sein soll­te. Ich wuß­te nichts über den Um­gang mit Kin­dern.«
    Sam Stee­ver nick­te. »John hat­te in den ers­ten sechs Jah­ren ei­ne Kin­der­schwes­ter … Sie wis­sen ja, daß die Mut­ter bei Ir­mas Ge­burt ge­stor­ben ist.«
    »Na­tür­lich weiß ich das«, sag­te Miss Pall steif. Dann fuhr sie sanf­ter fort: »Und na­tür­lich schließt man ein ein­sa­mes, ver­nach­läs­sig­tes klei­nes Mäd­chen so­fort in sein Herz. Und sie war schreck­lich ein­sam, Mr. Stee­ver. Sie hät­ten sie se­hen sol­len, wie sie sich in den Ecken und Win­keln des großen, häß­li­chen al­ten Hau­ses her­um­drück­te, im­mer al­lein war und sich zu To­de lang­weil­te.«
    »Ich ha­be sie ge­se­hen«, warf Sam Stee­ver has­tig ein, in der Hoff­nung, da­mit ei­nem neu­en Aus­bruch zu­vor­zu­kom­men. »Und ich weiß ge­nau, was Sie al­les für Ir­ma ge­tan ha­ben. Mein Bru­der neigt da­zu, ge­dan­ken­los zu sein, und ich weiß, daß er oft auch reich­lich egois­tisch ist. Er merkt es sel­ber gar nicht.«
    »Er ist grau­sam«, stieß Miss Pall mit plötz­li­cher Hef­tig­keit her­vor. »Grau­sam und schlecht. Auch wenn er Ihr Bru­der ist, muß ich sa­gen, daß er der schlech­tes­te Va­ter ist, den man sich vor­stel­len kann. Als ich dort hin­kam, wa­ren die klei­nen Ar­me blau und grün ge­schla­gen. Er be­nutz­te im­mer

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