150 - Demaskierung der Ungeheuer
Augen.
Ihr Verschwinden würde nicht so bald auffallen. Sie wohnte bei einer alten Frau, die sich um ihre Untermieterinnen nicht kümmerte. Tagtäglich verschwanden Dutzende Menschen in New York, die niemals mehr wiedergesehen wurden. Ein Großteil dieser vermißten Personen ging auf das Konto der Schwarzen Familie.
Das junge Mädchen blickte sich scheu um. Nie zuvor war sie in einem so aufwendig ausgestatteten Lokal gewesen. In ihrem billigen Kleid kam sie sich völlig fehl am Platz vor. Der Kellner brachte die Speisekarte, und Gordon Calder bestellte zwei Martini.
„Wie gefällt es dir hier, Liz?" fragte er mit tiefer Stimme.
„Sehr gut", sagte sie leise.
Dann schlug sie ihre Speisekarte auf, und unwillkürlich hoben sich ihre Brauen. Die Preise waren schwindelerregend.
„Worauf hast du Appetit?" erkundigte er sich freundlich.
„Ich - weiß - nicht", stammelte Liz. „Es ist alles so teuer."
Calder lachte. „Keine Angst, du bist ja eingeladen. Such dir aus, was dir schmeckt. Besonders zu empfehlen ist die Krebssuppe."
Liz nickte langsam. Sie warf wieder einen Blick in die Speisekarte; dabei beobachtete sie unauffällig Gordon Calder.
Eigentlich war er so gar nicht der Typ Mann, für den sie sich erwärmen konnte. Er war etwa dreißig Jahre alt. Sein Gesicht war aufgedunsen. Die Augen waren schwarz, und sein Blick war durchdringend. Das dunkelbraune Haar war kurz geschnitten und lag wie eine Kappe an seinem Kopf an. Die Stirn war niedrig, und die außergewöhnlich buschigen Brauen waren über der Nasenwurzel zusammengewachsen. Seine Gestalt war klein und gedrungen. Auffällig jedoch waren die riesigen Hände, die sehr stark behaart waren.
„Ich esse, was du ißt", sagte Liz schließlich und klappte die Karte zu.
Der Kellner servierte die Martinis und nahm Calders Bestellung entgegen.
„Zum Wohl!" sagte der Werwolf und hob sein Glas.
Liz folgte seinem Beispiel und nippte kurz an dem Getränk.
Calder lehnte sich bequem zurück und studierte das Mädchen. Langsam strich er sich mit der Zunge über die Lippen.
Vor zwei Tagen hatte er sie kennengelernt. Seine magischen Fähigkeiten waren äußerst schwach, doch sie reichten dazu aus, um jede Frau innerhalb weniger Sekunden in seine Gewalt zu bekommen. Genußvoll stellte er sich vor, was er alles mit ihr tun würde.
„Ich habe eine Überraschung für dich, Liz", sagte er und beugte sich vor.
„Und die ist?" fragte Liz neugierig.
Plötzlich verspürte Calder einen stechenden Schmerz in seinem Kopf. Er rang nach Luft und schloß die Augen. Irgend etwas Unerklärliches ging mit ihm vor. Ein eigenartiges Ziehen war in seinen Gliedern. Dieses Gefühl kannte er, es stellte sich immer ein, wenn er sich in einen Werwolf verwandelte.
„Was ist mit dir, Gordon?" fragte Liz ängstlich.
„Mir ist auf einmal so seltsam", flüsterte er und öffnete die Augen.
„Deine Augen!" sagte Liz mit bebender Stimme. „Sie sind jetzt ganz rot. Blutrot."
Mit aller Kraft versuchte Calder, die Metamorphose zu stoppen. Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte seine Verwandlung in einen Wolfsmenschen nicht aufhalten. Innerhalb weniger Sekunden war seine Stirn mit fingerlangen Haaren bedeckt, und sein Mund verformte sich zu einer Wolfsschnauze. Die Form seiner Hände veränderte sich; sie waren jetzt mit einem dunklen Pelz bedeckt, und die Finger wurden zu rasiermesserscharfen Krallen.
Liz stieß einen Entsetzensschrei aus. Sie wollte aufspringen und davonlaufen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht.
Calders Gedanken verwirrten sich. Seine dämonische Natur kam zum Vorschein. Er riß die Schnauze auf und entblößte dabei scharfe Reißzähne. Dann heulte er los, sprang auf und stieß den Tisch um.
Nun waren auch die anderen Gäste auf ihn aufmerksam geworden. Ein paar Frauen kreischten hysterisch. Die meisten hatten vom Knochen-Ungeheuer gehört, einige hatten die Verwandlung im Fernsehen gesehen.
Liz kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Ein Zittern durchlief ihren Körper, als sich Gordon Calder über sie beugte und eine Pranke zum Schlag erhob.
Ein beherzter Gast ergriff einen Stuhl und rammte ihn Calder in den Rücken.
Der Schlag des Wolfsmenschen ging daneben. Wütend drehte er sich um, fletschte die Zähne, duckte sich und fauchte den Mann an, der breitbeinig vor ihm stand und noch immer den Sessel mit beiden Händen gepackt hielt.
„Ruf die Polizei!" brüllte eine dicke Frau.
Liz brach ohnmächtig zusammen. Sie rutschte langsam vom Sessel
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