1506 - Eine Welt der Linguiden
fest. „Oder bist du anderer Meinung?"
Der Terraner schüttelte den Kopf. „Es ist nur ein wenig ... ungewöhnlich, ein solches Gespräch in einem solchen Rahmen zu führen. Das hier ist doch nur eine bessere Gartenlaube!"
In Balasar Imkords Lächeln lag ein gehöriger Schuß Ironie. „Wir sind uns dieser Tatsache bewußt", versicherte er gelassen. „Macht es euch bequem."
Eines stand jetzt schon fest: Die Linguiden hielten nicht viel von Formalitäten. „Unser Volk entdeckte diese Schwäche, als es die ersten Versuche machte, die Lichtgeschwindigkeit zu überwinden", erklärte Dorina Vaccer. Sie hatte eine rauchige, kehlige Stimme, und obwohl sie leise sprach, konnte man sie mühelos verstehen. „Die Transitionstriebwerke öffneten uns den Weg zu den Sternen, aber der Preis, den wir dafür zu zahlen hatten, war sehr hoch. Bei jedem Sprung verloren Dutzende von Linguiden ihr Kima."
„Was ist das - dieses Kima?" fragte Rhodan. „Es läßt sich schwer definieren", erwiderte die Friedensstifterin. „Es ist jenes unbeschreibliche Etwas, das unser eigentliches Ich ausmacht."
„Die Seele?"
„Die Seele", wiederholte Dorina Vaccer nachdenklich. „Das ist in eurer Wirklichkeit ein Bestandteil eures Seins, der sich durch seine Unsterblichkeit auszeichnet - etwas, das über euren Tod hinaus bestehen bleibt. Die Seele ist etwas, dessen Existenz ihr nicht beweisen könnt. Wir Linguiden würden es so ausdrücken: Es handelt sich um einen Begriff, der der Individuellen Realität angehört. Das ist die Ebene der Gedanken und Ideen, natürlich auch die Ebene des Glaubens. Aber unser Kima ist etwas ganz anderes. Es gehört einwandfrei zur Ebene der Subjektiven Realität: Das Kima existiert wirklich, und das läßt sich beweisen, wenn auch leider nur im negativen Sinn."
„Indem ihr es verliert", nickte der Terraner. „Aber was verliert ihr da? Ist es der Verstand? Die Fähigkeit, vernünftig zu denken und zu handeln?"
„Es ist all das und noch eine ganze Menge mehr."
„Ein Schock", vermutete Reginald Bull. „Oder eine durch einen Schock ausgelöste Geisteskrankheit."
„Wir kennen Geisteskrankheiten", bemerkte Dorina Vaccer. „Und wir wissen, wie man mit ihnen umgeht. Das Problem besteht eben darin, daß es keine Krankheit ist. Krankheiten kann man heilen. Aber das Kima kann man nicht zurückholen."
„Es kann nur ein Schock sein!" wiederholte Bull. „Und da ihr ein Tabu daraus gemacht habt, sind natürlich auch die Heilungschancen sehr gering. Wer davon betroffen ist, der hält sich für unheilbar, und eure Ärzte glauben dasselbe. Kein Wunder, daß sie dann nichts erreichen. Was ihr braucht, das sind Ärzte und Wissenschaftler, - die sich nüchtern und ohne Vorurteile damit befassen. Alles andere ist nur eine Sache der Zeit."
Balasar Imkord lächelte ironisch. Dorina Vaccer betrachtete den Terraner nachdenklich. „Wir leben schon seit sehr langer Zeit mit diesem Problem", sagte sie. „Und es ist ein Problem - eines, das uns sehr stark bedrückt. Glaubst du etwa, daß es uns leichtfällt, auf all die Vorteile zu verzichten, die die Transmittertechnik uns bieten könnte? Wir kennen Mittel und Wege, um Vorurteilen und Ängsten zu begegnen und vorgefaßte Meinungen abzubauen. Wir können jedem unserer Wissenschaftler die Möglichkeit verschaffen, ohne Rücksicht auf irgendein Tabu nach der reinen Wahrheit zu suchen. Und trotzdem haben wir noch keine Antworten gefunden, geschweige denn eine Lösung."
Reginald Bull lächelte spöttisch. Die unwilligen Blicke seiner Begleiter ignorierte er. „Das Problem liegt in euch selber", behauptete er. „Darum könnt ihr es nicht objektiv betrachten.
In solchen Fällen braucht man einen Außenstehenden, einen, der neutral ist."
„Einen Terraner?" fragte Dorina Vaccer mit leisem Spott. „Ich bin sicher, daß ihr euch Hilfe holen werdet, wenn ihr selbst zu dem Schluß kommt, daß ihr sie braucht", sagte Rhodan, dem dieses Thema allmählich zu heikel wurde. „Wen ihr dann ansprechen wollt, daß ist allein eure Sache. Bedauerlich finde ich nur, daß man uns auf Compol keine Gelegenheit gegeben hat, auch die Folgen dieses schrecklichen Unfalls zu sehen."
„Ein solcher Anblick ist nicht zumutbar - für niemanden."
„Wir haben schon viel gesehen, und es waren sehr unerfreuliche Dinge darunter."
„So etwas nicht", behauptete die Friedensstifterin knapp.
Rhodan beobachtete sie aufmerksam. „Demnach ist es keine rein geistige Veränderung", sagte er schließlich.
Weitere Kostenlose Bücher