1506 - Liliths böser Kosmos
hatte meinen linken Arm leicht angehoben und ihn nach vorn gestreckt.
Die Hand war noch immer zur Faust geballt, und darin verbarg ich das Kreuz. Die Silberkette hatte ich zweimal um meinen Mittelfinger geschlungen, damit das Kreuz nicht zu Boden fiel, wenn ich meine Faust öffnete.
Leila spürte etwas. Das sah ich ihr an. Sie zitterte, und auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken.
»Schau her!«
Zwei Worte nur, dann setzte ich das in die Tat um, was ich mir vorgenommen hatte. Ich öffnete die Faust, das Kreuz hatte keinen Halt mehr und folgte der Anziehungskraft. Es fiel ein Stück nach unten und blieb dann mit seiner Kette an meinem Mittelfinger hängen…
***
Wer zu Lilith oder zu anderen Kreisen der Hölle gehörte, für den gab es einen ganz besonderen, tödlichen Feind, und das war eben das Kreuz, der Sieger über das Böse.
Genauso sah Leila es auch!
Ihre Wut, ihre Aggressionen waren von einem Augenblick zum anderen erloschen. Sie starrte auf das Kreuz, und ein völlig anderes Gefühl erfüllte sie.
Jetzt war die Angst da!
Mit einer schnellen Bewegung riss sie die Arme hoch. Sie wollte sich vor dem Anblick schützen und ihre Augen verdecken. Wir hörten sie schreien und sahen, wie sie den Kopf von einer Seite zur anderen warf.
Dabei hatte sie die Hände wieder sinken lassen, aber sie hütete sich davor, einen Blick auf das Kreuz zu werfen, dessen leichte Erwärmung ich schon mitbekam.
Leila wusste nicht mehr wohin. Sie hatte auch keine Unterstützung. Es gab hier nur Gegner für sie, und sie steckte in der Falle.
»Ich schätze, dass sie uns etwas zu sagen hat«, meinte Jane Collins und huschte auf sie zu, schlug aber einen Bogen und stellte sich so hin, dass sie in Leilas Rücken stand. So hatte sie ihr einen möglichen Fluchtweg versperrt.
»Sie muss reden!«, sagte Suko.
»Das wird sie auch.«
»Und wie willst du es anstellen? Auf die harte Tour?«
Ich wusste, was Suko damit meinte. Das war nicht in meinem Sinne. Ich wollte Leila nicht töten. Ich musste sie zwingen, mehr über sich und ihre Verbindungen zu Lilith und deren Kosmos zu erzählen. Ihre Angst vor dem Kreuz war groß. Ich ging voll und ganz davon aus, dass sie einknicken würde.
Leila wusste, dass sie schadlos nicht mehr wegkam. Sie hatte sich von mir weggedreht. Ich schaute jetzt gegen ihr Profil, und sie war wieder in die unmittelbare Nähe des ramponierten Golfs zurückgewichen.
Wahrscheinlich wollte sie dort Schutz finden, wenn es hart auf hart kam.
Mir fielen auch ihre Helferinnen ein. Die fünf Frauen hatten sich verzogen. Man konnte es schon eine Flucht nennen, und so fragte ich mich, ob es auch dabei blieb und sie ihre Verbündete im Stich lassen würden.
Ich ging langsam auf sie zu. Sie sah mich nicht, doch mit ihrem feinen Gehör hatte sie meine Schritte vernommen. Schon jetzt quälte sie sich.
Ihr Atem ging pfeifend, und ich hörte ihr Flüstern.
»Geh weg! Bleib mir vom Leib! Ich will es nicht sehen! Ich hasse es, verflucht!«
Zuerst tat ich ihr den Gefallen und ging nicht weiter.
»Wir können uns einigen, Leila.«
»Wie denn?«
»Indem ich nicht mehr weitergehe. Ich bleibe stehen und werde dir einige Fragen stellen. Ist das für dich in Ordnung?«
»Was willst du?«
»Antworten!«
»Ich weiß nichts!«
Zunächst nahm ich alles noch locker. »Es ist doch ganz einfach, Leila. Da du alles weißt, wirst du mir…«
»Nein!«, schrie sie plötzlich. »Nein, ich weiß es nicht! Du brauchst mich nicht mehr zu fragen.«
»Das bestimme ich.«
»Ich sage nichts!«
»Dann wirst du die Wirkung des Kreuzes zu spüren bekommen!«
Es war eine Drohung, die sie akzeptieren musste. Sie sah ein, dass sie nicht wegkommen würde. Sie stand starr auf der Stelle, und sicherlich rasten die Gedanken durch ihren Kopf. Ich konnte mir vorstellen, welch eine Rolle Lilith ihr zugedacht hatte, und sie jetzt aufzugeben oder einzusehen, dass jemand stärker war, fiel ihr schon schwer.
Sie wartete auf mich, aber sie wollte mich nicht sehen. Unter dem Einfluss des Kreuzes duckte sie sich zusammen und hatte dabei beide Hände auf das Autodach gelegt.
Ich musste mal wieder daran denken, wie oft ich das Kreuz schon eingesetzt hatte. So war es mir gelungen, Gegner in die Knie zu zwingen, aber der Spalt zwischen Sieg und Tod war verdammt eng.
»Einigen wir uns, Leila«, wiederholte ich mein Angebot, schaute dabei auf ihren zuckenden Rücken und hörte ihre Frage.
»Was hast du vor?«
»Ich nehme das Kreuz weg, und du wirst mir
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