1510 - Der Hexenbrunnen
hat.«
»Gut, das werden wir sehen.«
Kevin Rice brachte uns noch bis zum Ausgang. Er wünschte uns viel Glück und bat darum, falls wir den Fall lösten, um einen entsprechenden Bescheid.
Wir versprachen es.
»Willst du fahren?«, fragte Suko.
»Nein, das überlasse ich gern dir…«
Eine Totenstadt!
Wobei dieser Begriff schon ein wenig übertrieben war, aber Gaerwen gehörte tatsächlich zu den Dörfern, die von der Welt vergessen zu sein schienen.
Wir waren beim Einfahren beobachtet worden und hatten die misstrauischen Blicke nicht übersehen. Fremde schien man hier nicht eben zu lieben.
Justine Cavallo hatte sich nicht mehr gemeldet, und Suko fragte, als er noch langsamer fuhr: »Wo unsere Freundin wohl stecken mag?«
»Keine Ahnung. Aber sie wird sich zeigen, denke ich.«
»Das hoffe ich.« Er sah, dass ich mich immer wieder vom Beifahrersitz aus umschaute, und fragte: »Suchst du den Hexenbrunnen?«
»Ja.«
»Dann müssen wir in die Nähe der Kirche.«
»Später. Erst möchte ich mit der Witwe ein paar Takte reden. Ich bin gespannt, was sie uns zu sagen hat.«
»Nichts.«
»Wieso?«
»Sie wird nichts wissen.«
Ich wiegte den Kopf. »Da bin ich anderer Meinung. Ich glaube fest daran, dass es in diesem Kaff Geheimnisse gibt, die man vor Fremden verbirgt. Aber Menschen, die sich in einer Ausnahmesituation befinden, reden vielleicht.«
»Das kann man nur hoffen.«
Wir mussten das Haus der Frau finden. Erklärt hatte uns Kevin Rice nichts. Aber es gab genügend Bewohner, die sich im Freien aufhielten und an die wir uns wenden konnten.
Suko bremste in der Nähe eines Mannes, der seinen Gartenzaun strich.
Ich stieg aus und erkundigte mich freundlich nach Erin Kendall.
Der Maler kam langsam aus seiner hockenden Haltung hoch. Er schaute mich fast bösartig an, schob seine Mütze zurück und schüttelte den Kopf.
»Die arme Frau hat Probleme genug. Hier haben Fremde nichts zu suchen.«
»Da haben Sie im Prinzip schon Recht. Aber wir müssen sie sprechen. Bruce Kendali hatte bei uns eine Versicherung abgeschlossen. Sie wissen ja, wie das ist. Da müssen noch einige Dinge geregelt werden. Deshalb wäre es nett von Ihnen, wenn Sie uns sagen würden, wo wir Mrs Kendall finden können.«
»Fahren Sie in die nächste Gasse links. Im Vorgarten des Hauses sehen sie einen langen goldenen Stab, auf dem eine Glaskugel steckt. Das ist das Haus.«
»Haben Sie herzlichen Dank.«
»Schon gut.«
Ich ging wieder zum Wagen zurück und dachte daran, dass ich jetzt ein Gerücht in die Welt gesetzt hatte und wohl jeder im Dorf gern wissen würde, wie viel Geld die Witwe ausbezahlt bekam.
Es war egal. Ich wusste jetzt, wo ich hinfahren musste, und es dauerte wirklich nicht lange, bis wir das Ziel erreicht hatten.
Direkt vor dem Haus stellten wir den Wagen ab, stiegen aus uns schauten uns kurz um.
Wie die meisten Häuser hier in Gaerwen stand auch dieses einzeln.
Man konnte um es herumgehen, was wir natürlich nicht taten. Wir öffneten das kleine Tor und betraten den Vorgarten. An dem goldenen Stab gingen wir vorbei und blieben vor der Haustür stehen, in der sich in Kopfhöhe ein kleines Fenster befand, das innen mit einer Gardine verhängt war. Die Tür hatte einen dunkelgrünen Anstrich, der sich von dem ansonsten weißen Gemäuer deutlich abhob.
Wir sahen kein Namensschild, wir hörten auch nichts. Das Haus lag in einer absoluten Stille.
Aber es gab eine Klingel. Ich drückte den Knopf, und wir hörten im Innern des Hauses etwas scheppern.
Dann dauerte es beinahe eine Minute, bis jemand die Tür öffnete. Das geschah sehr behutsam, und der Spalt wurde auch nicht besonders breit. Das volle Gesicht einer Frau war darin schattenhaft zu erkennen.
»Was wollen Sie? Wer sind Sie?«, erkundigte sie sich mit brüchiger Stimme.
Ich stellte Suko und mich vor.
»Ich kenne Sie nicht.«
Jetzt rückte ich mit der Wahrheit heraus. »Wie sind von der Polizei, Mrs Kendali.«
»Und?«
»Es geht um Ihren Mann.«
»Der ist tot.«
»Ja, das wissen wir. Aber Sie wissen auch, dass er auf eine sehr ungewöhnliche Weise gestorben ist.«
»Ja. Aber was hat das mit mir zu tun?«
»Mit Ihnen nichts, Mrs Kendali. Es sind nur noch einige Fragen offen.«
Ich holte meinen Ausweis hervor und zeigte ihn ihr. »Wenn Sie uns nicht glauben wollen, hier ist das offizielle Dokument.«
Einige Sekunden verstrichen, ohne dass jemand sprach. Dann hörten wir Wieder ihre Stimme.
»Kommen Sie rein.«
Vor uns schwang die Tür auf.
Weitere Kostenlose Bücher