1511 - Der letzte Engel
Vater, denn bei ihnen waren Sukos Worte nicht auf taube Ohren gestoßen.
»Komm, Dad, er hat recht.«
Der Rotbärtige knurrte. Er war noch nicht völlig überzeugt, aber er nickte, wobei er Suko noch einen letzten finsteren Blick zuwarf und erklärte, dass er den Rückzug antreten würde.
»Das ist sehr klug.«
»Kommt!«
Die Quinlains wollten sich abwenden und befanden sich bereits in der Bewegung, als alle - auch Suko - ein bestimmtes Geräusch vernahmen, das nicht zu überhören war.
Es war ein Gluckern und leises Klatschen, das hinter ihnen aufklang.
»Da, der Brunnen!« Einer von Quinlains Söhnen hatte es geflüstert und streckte jetzt seinen rechten Arm aus. Dabei zuckten seine Lippen, und er wurde blass.
Suko fuhr herum. Für ihn stand fest, dass sie möglicherweise zu lange gewartet hatten. Aber er machte sich deswegen auch keine Vorwürfe. Es war nun mal so gelaufen, und damit hatte es sich.
»Gehen Sie!«, rief er den Quinlains zu und eilte selbst dem Kessel entgegen. Um die vier Frauen musste er sich nicht kümmern, sie hatten genug mit sich selbst zu tun.
Noch bevor er den Kessel erreicht hatte, sah er, was mit dem Inhalt passiert war. Er lag nicht mehr ruhig. Er kochte aus der Tiefe her auf, und dieser Druck sorgte für Wellenbewegungen auf der Oberfläche.
Hinzu kamen die dicken Blasen, die hochstiegen und zerplatzten, kaum dass sie die Oberfläche erreicht hatten.
Den letzten Schritt ging Suko vorsichtig. Er wollte kein Risiko eingehen, aber er blieb so nahe vor dem Brunnen stehen, dass er einen Blick hineinwerfen konnte.
Aus einer Tiefe, in die er nicht hineinschauen konnte, wurde das Wasser in Bewegung gesetzt. Welche Kräfte es waren, wusste er nicht.
Möglicherweise hatte der Teufel seine Hände mit im Spiel. Er sorgte dafür, dass er Inhalt aufgewühlt wurde, und Suko merkte auch, dass die Hitze geblieben war. Die ölige Flüssigkeit hatte sich um keinen Deut abgekühlt. Aus der Tiefe her erhielt sie ständig Nachschub, und nichts wies darauf hin, dass der Vorgang bald stoppen würde.
Suko dachte an Justine Cavallo, die zusammen mit dieser Lucy in den Brunnen gefallen war. Er hatte die blonde Blutsaugerin sogar schon abgeschrieben, nun dachte er anders darüber. Er hielt es sogar für möglich, dass sie wieder erschien. Verwandelt, anders als früher.
Vielleicht sogar als Hexe und als ein Wesen, das unter dem Einfluss des Höllenherrschers stand.
Noch immer war nichts zu erkennen. Es gab keine Klarheit innerhalb der öligen Brühe, und Suko merkte, dass der Druck in seiner Brust sich immer mehr verstärkte.
Und dann sah er die Hand!
Sie schoss zuerst aus der Masse hervor. Eine Frauenhand ohne Schmuck am Finger, und Suko musste nicht noch mal hinschauen, um zu wissen, wem die Hand gehörte.
Das war Justine Cavallo, die den Weg nach draußen fand und wenig später ihren Kopf aus der kochenden Brühe schob, Suko sah und ihn wie eine Teufelin anlächelte.
War sie normal geblieben oder hatte sie der Teufel gezeichnet?
Eine Antwort auf diese Frage würden ihm die nächsten Sekunden geben…
***
Archie Ungone, fünfundzwanzig Jahre jung, war ein Mann der Extreme.
Risiko hieß seine Maxime. Ohne das war das Leben fad wie abgestandener Kaffee, und dieses Risiko nutzte er bis zur letzten Mini-Chance aus, bevor ihn der Sensenmann holen konnte.
Er hatte schon einiges durchgezogen, um sich den richtigen Kick zu holen. Es war schwer für ihn, seine Grenzen weiterhin auszutesten.
Bungee Jumping machte heute schon jeder, außerdem war da die Sicherheit sehr groß. An Hochhäusern hochklettern konnte er nicht.
Wilde Autorennen hatte er schon hinter sich, und außerdem war er ein Mensch, der lieber allein auf Touren ging.
Und da war ihm eine Idee gekommen. Eine perfekte, eine, die ihn anmachte und bei der er nicht lange warten musste, um sie in die Tat umsetzen zu können.
Bahn-Surfen.
Nicht auf den Dächern der U-Bahn oder außen an ihren Türen, wie es schon öfter geschah. Nein, er wollte auf dem Dach eines Waggons liegend mit den Zügen fahren, die von außerhalb kamen, innerhalb des Großraums London aber an mehreren Bahnhöfen hielten.
So etwas würde ihm den absoluten Kick bis in jede Pore bringen. Auf einem Waggondach zu liegen war einfach hip. Dabei immer mit dem Risiko rechnend, in einer Kurve oder auch vom Fahrtwind weggeblasen zu werden.
Das würde ihm etwas geben, und er war dabei allein, brauchte auf niemanden Rücksicht zu nehmen.
Eigentlich war Archie Ungone ein
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