1513 - Gier nach Templerblut
und dazwischen einen Gegenstand, der einfach auffallen musste und alles andere in den Schatten stellte.
»Was ist das?«
»Ein Knochensessel.«
Verka schaute Sophie an, als hätte sie etwas Schlimmes gesagt. »Ein Sessel aus Knochen?«
»Ja, ist ein Erbe. Es ist das Skelett des letzten Großmeisters der Templer, der im Jahre 1314 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, zusammen mit seinem Freund Gottfried von Charnay.«
»Aha. Wie hieß der Mann?«
»Jacques de Molay.«
»Ach, und das ist sein Skelett?«
»Ja. Es verbrannte nicht. Auf Umwegen ist es bis zu uns gelangt und hat hier seinen verdienten Platz gefunden. Es gibt keinen von uns, der es nicht verehrt.«
»Das ist ein Ding!« Sie lachte. »Ein Skelett! Wie kann man nur ein Skelett verehren?«
»Er wurde unschuldig hingerichtet, aber das ist Vergangenheit. Wir leben in einer anderen Zeit.«
»Ja«, bestätigte Verka, »das stimmt wohl. Aber manche Dinge sind gleich geblieben.«
»Kann sein.«
»Die Gier nach Blut, zum Beispiel. Und ich habe mir ein besonderes Blut ausgesucht.«
»Wie du meinst.«
Vera deutete auf die zweite Tür. »Wohin führt sie?«
»In unsere privaten Räume.«
»Und weiter?«
»Nichts.«
Die Wiedergängerin wollte auf Nummer Sicher gehen. Sie befahl Sophie, die Tür zu öffnen, um einen Blick in das dahinter liegende Zimmer werfen zu können.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es hält sich niemand hier versteckt.«
»Das will ich selbst sehen.«
»Kannst du auch.«
Ein kleiner Wohnraum mit einem Fernseher. Eine weitere Tür führte in ein Schlafzimmer, und ein Bad war ebenfalls vorhanden.
»Zufrieden?«
»Ja, für den Anfang.«
»Und wie soll es weitergehen?«
Verka kehrte wieder zurück ins Arbeitszimmer. Sie ging dabei mit schleichenden Schritten, und auf ihren Lippen lag ein Lächeln, das Sophie Blanc überhaupt nicht gefiel. Sophie sah auch, dass sich Verka die Hände rieb, als sie stehen blieb. Es sah alles sehr menschlich aus, aber sie wusste allzu gut, dass kaum etwas Menschliches an ihr war, abgesehen von der äußeren Hülle.
»Ich habe meinen Plan geändert.«
»Ach.«
Das Lächeln der Vampirin wurde noch breiter. »Es ist so, dass ich deinem Mann eine Überraschung bereiten will, wenn er diesen Raum hier betritt. Er wird dich hier vorfinden, und ich habe nicht grundlos einen Blick in die anderen Zimmer geworden, denn dort werde ich mich aufhalten. Aber er wird nur dich sehen, und zwar nicht als einen normalen Menschen, sondern als eine Person, die dem Menschsein bereits entronnen ist. Denn du wirst auf dem Weg sein, eine Blutsaugerin zu werden.«
Sophie schluckte und brachte kein Wort hervor. Sie war ehrlich überrascht. Mit einer derartigen Wendung hätte sie niemals gerechnet, und sie merkte auch, dass ihr Herz immer schneller klopfte. Es wäre schwer für sie gewesen, eine Antwort zu geben, und zum ersten Mal spürte sie eine tiefe Angst in sich.
»Hast du alles begriffen?«
»Ich denke schon.«
»Das ist wunderbar. Ich kann dir versprechen, dass die Verwandlung nicht mit Schmerzen verbunden ist. Du wirst nur den Biss spüren, und wenig später wird die Süße des Todes über dich kommen. Es wird alles perfekt für ein neues Leben sein.«
Sophies Augen bewegten sich. Sie sah sich einer völlig neuen Lage gegenüber. Dabei hatte sie darauf gesetzt, im Kloster die besseren Chancen zu haben, doch wie es jetzt aussah, war das wohl ein Trugschluss gewesen. Diese Blutsaugerin war an Raffinesse nicht zu überbieten, und plötzlich war das Zimmer zu einer Zelle geworden.
»Es ist so, meine Liebe. Ich trinke das Blut gern in aller Ruhe. Ich möchte keine Eile, keine Hetze, und das Schicksal hat sich eben auf meine Seite gestellt.«
»Hör auf. Ich werde es nicht zulassen. Du bist…«
Verka trat einen Schritt auf Sophie zu und reckte ihr Kinn vor. »Was bin ich?«
»Eine Kreatur der Hölle!«
»Ja.«
»Und ich hasse die Hölle. Ich hasse den Teufel. Ich werde nicht in das Reich der lebenden Toten eingehen. Ich werde…«
Der Tritt erwischte sie ohne Vorwarnung. Er traf den Unterleib der Frau, die einen glühenden Schmerz spürte, dabei in die Knie sackte und ihre Hände auf die getroffene Stelle presste. Aus ihrem Mund drang der Atem als ein Pfeifen.
Ein stuhlartiger Sessel stand in der Nähe. Mit einer schwungvollen Bewegung schleuderte Verka ihr Opfer hinein. Da der Sessel sehr leicht war, rutschte er noch ein Stück über den Holzboden zurück. Ein mit Büchern gefülltes Regal
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