1521 - Der nächste bist du, Sinclair!
mehr. Das Durcheinander war da, aber es konzentrierte sich auf einen bestimmten Punkt.
Wir mussten uns den Weg praktisch mit den Ellbogen bahnen und atmeten auf, als man uns eine Gasse schuf, die sich allerdings sehr schnell wieder schloss, als wir in die Nähe des Schauplatzes gerieten.
Dort standen die Gaffer, die Neugierigen und auch die Entsetzten.
Es war der Ort, den wir bereits kannten. Die Arbeitsstelle des Schmieds, mit dem wir vor Kurzem noch gesprochen hatten.
Man wollte uns nicht so schnell durchlassen. Erst mach meinen scharfen Rufen »Polizei! Polizei!« öffnete sich so etwas wie eine Lücke, die wir passieren konnten.
Was in unserer Nähe geschah und welche Kommentare abgegeben wurden, interessierte uns nicht. Wir hatten nur Augen für das, was sich in der Schmiede abgespielt hatte, und das war schlimm.
Der Schmied war tot.
Er war auf eine schreckliche Art und Weise ermordet worden, aber auch irgendwie passend zu diesem mittelalterlichen Markt. Man hatte den Schmied durch einen Schwerthieb vom Leben in den Tod befördert, und beim Sturz war er noch halb in die Glut gefallen. An der rechten Schulter war das verbrannte Fleisch zu sehen und auch zu riechen.
»Verdammt«, keuchte Glenda, »verdammt, wer tut denn so etwas?«
»Du weißt es.«
»Ja. Trotzdem bin ich geschockt.«
»Leonore will uns ihre Macht beweisen, Glenda. Deshalb bin ich nicht mal so sehr überrascht. Eher entsetzt. Der Mann war unschuldig. Er hat doch nur mit uns gesprochen.«
»Ja, und der Nächste auf der Liste bist du, John.«
»Das will sie so.«
Der Schwerthieb hatte eine schlimme und tödliche Wunde bei dem Schmied hinterlassen. Da war nicht nur der Kopf im Gesicht getroffen worden, sondern auch der Körper, und die lange Wunde hörte erst am Bauch auf.
Ein Schlag hatte ausgereicht. Ich ging davon aus, dass es Leonore getan hatte. Sie war erschienen, hatte zugeschlagen und war gleich danach wieder verschwunden.
Ich wollte nicht, dass der Tote mit seiner Schulter weiterhin in der Glut lag, und zog ihn deshalb zur Seite. Aus der gebückten Haltung kam ich wieder hoch und drehte mich um.
Glenda Perkins war damit beschäftigt, die Neugierigen zurückzudrängen.
Sie wollte vor allen Dingen nicht, dass Kinder einen Blick auf den Toten warfen. Die Besucher waren zum Glück einsichtig genug, um ihren Nachwuchs aus dem unmittelbaren Sichtbereich zu ziehen. Aber es blieben noch genügend übrig, um zu gaffen.
Wir sahen auch die beiden Personen vom Sicherheitsdienst, die blass geworden waren und auch entsprechend sprachlos.
Ich stellte mich vor die Menschen und hielt meinen Ausweis hoch und nach vorn gestreckt, damit man ihn sah.
»Es ist leider etwas Schreckliches passiert, das keiner von uns begreift, umso wichtiger ist es, dass der Täter gefasst wird, wobei es auch eine Täterin sein kann, so ungewöhnlich sich das anhört. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es Zeugen gibt. Und deshalb möchte ich Sie fragen, ob jemand von Ihnen etwas gesehen hat und uns entsprechende Hinweise geben kann. Überlegen Sie gut, und jede Kleinigkeit, die Ihnen aufgefallen ist, kann wichtig sein.«
Meine Worte hatten gewirkt. Zumindest zog sich niemand zurück. Ich sah, dass die Menschen nachdachten. Sie flüsterten miteinander, und auch die beiden vom Sicherheitsdienst gaben sich große Mühe, aber sie hatten sich zur Tatzeit, ebenso wie Glenda und ich, woanders aufgehalten.
Ein junger Mann mit langen, krausen, dunkelblonden Haaren und in der Verkleidung eines Minnesängers meldete sich zu Wort. Er trat schüchtern nach vorn. Sein Gesicht sah wachsbleich aus, und bevor er etwas sagte, fingen seine Lippen an zu zittern.
»Ich glaube, dass ich etwas gesehen habe.«
»Das ist gut. Die Täterin?«
»Ja, da war eine Frau!«
»Okay, berichten Sie bitte, was Sie gesehen haben.«
Er nickte, räusperte sich, fing an zu schlucken und gab uns mit leiser Stimme Auskunft. So erfuhren wir, dass sich eine Frau mit braunen Haaren in der Nähe des Zeltes aufgehalten hatte.
»Sah sie irgendwie besonders aus? Fiel sie aus dem Rahmen?«
»Ja, schon.«
»Wieso?«
Der junge Mann senkte den Blick, doch er schaute nicht auf den Toten, über dessen Leiche erste Fliegen summten, die sich so leicht nicht vertreiben ließen.
»Ich glaube, sie trug einen Brustpanzer«, erklärte er mit leiser Stimme.
»Ja, so ist es gewesen. Sie - ahm - das habe ich genau gesehen.«
»Und sonst? Wie sah sie sonst aus?«
»Keine Ahnung.«
»War sie denn
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