1521 - Der nächste bist du, Sinclair!
verrückt.
Was würde noch alles passieren? Würde diese fremde und unheimliche Frau wirklich zuschlagen und ein hoffnungsvolles Leben mit einem Schwertstreich auslöschen?
Sie meldete sich erneut, und dieses Mal hörte sich ihre Frage noch drohender an.
»Wo steckt er?«
»Ich weiß es nicht.« Der Patron faltete die Hände vor seiner Brust, aber selbst durch diese bittende Geste ließ sich die Frau nicht von ihrer Meinung abbringen.
»Du weißt es!«
»Nein!«
»Willst du sterben?«
»Bitte, nein, das nicht!«
»Ich hasse Lügner. Ich bin schon zu oft belogen worden und will es nicht mehr.«
»Aber ich lüge nicht!«, keuchte der Mann, der vor Angst verging. »Ich würde alles sagen, wenn ich etwas wusste.«
Die Frau ließ sich nicht beirren. »Er muss hier gewesen sein. Er kennt diese Gegend. Er war früher auch immer hier.«
»Aber nicht jetzt, zum Teufel!«
Die Frau lachte. »Man kann eine Leonore nicht mehr anlügen. Ich bin schon zu oft belogen worden und werde mir das holen, was mir zusteht. Und Lügner müssen sterben!«
»Nein…« Mehr brachte der Restaurantbesitzer nicht hervor. Er sah, dass diese Unbekannte ihr Schwert anhob und zugleich einen Schritt zurücktrat.
Der Wirt riss die Arme hoch.
Es nutzte ihm nichts mehr.
Leonore war gnadenlos. Sie schlug zu, und die scharfe Klinge fand ihren Weg zwischen den erhobenen Händen des Mannes hindurch.
Sie traf voll!
Enrico war Zeuge. Er sah das Blut spritzen und wunderte sich, dass er so ruhig blieb. Aber er konnte einfach nicht schreien. Kein Laut verließ seinen Mund. Sein Entsetzen war einfach zu stark.
Er sah noch, wie der Körper seines Arbeitgebers an der Theke entlang rutschte und auf den Boden schlug.
Danach war es still!
Enricos Sinne waren geschärft, sodass er auch die Musik hörte. Sie kam aus der ersten Etage, wo die Stereoanlage eingeschaltet war und die Patronin sich wieder Opern anhörte.
Die Mörderin blieb einige Sekunden lang vor dem Mann stehen, bevor sie sich von ihm wegdrehte und ihren Blick quer durch das Restaurant gleiten ließ.
Enrico wagte nicht, die Tür zu schließen. Selbst das leiseste Geräusch konnte in diesem Moment zu viel sein.
Er betete, dass diese Leonore nicht auf den Gedanken kam, das Haus zu durchsuchen, um noch andere zu befragen.
Das tat sie nicht, denn sie drehte sich um und schritt dem Ausgang entgegen. Das Schwert hielt sie mit der Klinge nach oben. Sie war von der Spitze an bis zur Hälfte rot vom Blut, das in Schlieren am hellen Stahl nach unten rann.
Als die Mörderin die Tür des Restaurants öffnete, drehte sie sich noch mal um.
Auch mit ihrem letzten Abschiedsblick entdeckte sie den heimlichen Beobachter nicht. Und so schritt sie langsam in die graue Dunkelheit hinein und wurde von ihr verschluckt…
***
Egal wie alt man wird, aber man kann sich nicht daran gewöhnen, in der allerfrühsten Morgenstunde aufzustehen, wenn man mitten aus dem Tiefschlaf gerissen wird.
So ging es mir zumindest, und erst als ich im Wagen saß und durch ein recht ruhiges London fuhr, wurde mir bewusst, was ich tat. Ich fragte mich auch, ob das alles richtig gewesen war. Zudem musste ich nach außerhalb in Richtung Windsor fahren, aber wer dort lebte, wo sich mein Ziel befand, der fühlte sich noch als Londoner.
Der Anruf hatte mich aus dem Schlaf gerissen und aus dem Bett getrieben. Ein gewisser Chiefinspektor Dick Duckstone, den ich nicht mal namentlich kannte, war dafür verantwortlich. Er hatte von einem Mord an einem Lokalbesitzer gesprochen und war der Meinung gewesen, dass ich kommen musste, weil die Täterin mehrmals meinen Namen erwähnt hätte, wie ein Zeuge gehört hatte.
Das war für mich dann der Wachmacher gewesen. Eine Mörderin, die sich auf meinen Namen berief, der schon recht bekannt war, sonst hätte man mich nicht angerufen.
Der Flughafen Heathrow, der auch in der Nacht nicht schlief und sich als helles Gebilde in der Dunkelheit abzeichnete, lag hinter mir. Ich rollte in Richtung Westen, folgte den Kurven der Themse und würde irgendwann das tagsüber von Touristen belagerte Windsor erreichen. Aber ganz so weit musste ich nicht.
Es gab noch genügend kleine Orte, die östlich von Windsor lagen. Die Gegend war eine grüne Lunge, die allerdings von zahlreichen Straßen durchzogen war.
Der Kollege Duckstone hatte mir den Weg beschrieben. Trotzdem verließ ich mich auf meinen Navigator, der mich sicher in die Nähe des Ziels führte.
Der Mord war in einem italienischen Restaurant
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