1521 - Der nächste bist du, Sinclair!
so sehen die ersten Fakten aus. Ich kann Ihnen noch sagen, dass unser Zeuge verdammt viel Glück gehabt hat, dass er nicht entdeckt wurde.«
Ich schüttelte den Kopf und sagte dabei: »Wissen Sie, was ich nicht verstehe?«
»Sie werden es mir sagen.«
»Genau, das werde ich. Ich verstehe nicht, warum die Mörderin sich nach mir erkundigt hat, und das bei einem Menschen, den ich nicht kenne. Das ist für mich ein Rätsel.«
»Für mich auch.« Duckstone rieb sein Kinn. »Aber vielleicht gibt es eine Spur.«
»Welche?«
»Nicht weit von hier entfernt, und zwar in Richtung Windsor, gibt es ein mittelalterliches Lager mit Gesang, Tanz und auch Ritterspielen. Es kann durchaus sein, dass die Mörderin von dort gekommen ist, denn da fällt sie in ihrem Outfit nicht auf. Ich werde bald einige Leute hinschicken, die die entsprechenden Fragen stellen werden.«
»Ja, tun Sie das.« Ich schaute auf die Tür. »Aber jetzt würde ich gern mit dem Zeugen sprechen.«
»Alles klar, er wartet im Lokal.«
»Wie ist sein Zustand?«
»Fragen Sie lieber nicht.« Er winkte ab. »Der Mann hat alles hautnah mitbekommen.«
»Okay.«
»Sie können auch allein mit ihm reden, denn schließlich sind Sie indirekt die Hauptperson.«
»Alles klar.«
Auf der kurzen Strecke machte ich mir schon meine Gedanken, fand aber keine Erklärung, ja, nicht mal einen Hinweis. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum diese Frau mit dem Schwert gerade nach mir gefragt hatte. Sie musste mich schon sehr hassen. Aber ich kannte sie nicht.
Jedenfalls keine vielleicht sogar spätmittelalterlich gekleidete Person, der ich mal auf die Füße getreten war.
Und dann gab es da noch diesen Mittelalter-Markt, dem ich so bald wie möglich einen Besuch abstatten würde.
Zunächst aber betrat ich den Ort des grausamen Geschehens, und das war alles andere als ein Spaß. Die durch das Licht der Scheinwerfer geschaffene kalte Atmosphäre machte alles noch schlimmer. Die Leiche war inzwischen weggeschafft worden. Sie lag bereits im primitiven Sarg, und dort wo sie ermordet worden war, befand sich ein Blutfleck auf dem Boden, den man schon als Lache bezeichnen konnte.
Ich drehte mich von ihm weg, umging auch die Kollegen von der Spurensicherung und wandte mich einem etwas korpulenten jungen Mann zu, der wie ein einsamer Zecher an einem Tisch saß und ins Leere starrte. Hin und wieder zuckte dabei seine Haut an den Wangen.
Seine Hände umklammerten ein Wasserglas, das bis zur Hälfte gefüllt war. Wahrscheinlich Grappa.
Ich trat an den Tisch heran und fragte mit leiser Stimme: »Darf ich mich setzen?«
Der Mann hob den Blick. »Bitte.«
Ich nahm Platz.
Leere Augen schauten mich an, aber dann fragte er: »Wer sind Sie?«
»Mein Name ist John Sinclair.«
Er reagierte nicht, legte nur die Stirn in Falten und meinte mit tonloser Stimme. »Ja, ich habe gehört, dass die anderen Polizisten Ihren Namen öfter erwähnten. Sie sprachen von einem Kollegen, den die Frau nur gemeint haben könnte.«
»Das bin ich.«
Erst jetzt schien Enrico richtig zu erwachen. Er setzte sich aufrecht hin und starrte mich mit einem Blick an, als wollte er mich sezieren. Er sagte nichts mehr, das Geschehen hielt ihn voll und ganz in den Fängen, doch dann klärte sich sein Blick, und er flüsterte mit heiserer Stimme: »Dann gibt es Sie doch.«
»Was dachten Sie denn?«
»Ich - ich…«, er wusste nicht, was er sagen sollte. Er griff zum Glas und nahm einen großen Schluck. Dass es Grappa war, das konnte ich riechen.
Jemand aus Duckstones Mannschaft kam und stellte mir einen doppelten Espresso hin. »Danke.«
Enrico stellte sein Glas wieder auf den Tisch. Noch immer schaute er mich verwundert an.
»Der Chef ist tot - tot - tot, und Sie gibt es wirklich. Das ist - nein…« Er schüttelte den Kopf.
Klar, dass er durcheinander war. Zeuge eines so schrecklichen Mordes zu sein war mehr als schlimm. Das konnte die Psyche eines Menschen jahrelang beeinflussen.
»Ja, mich gibt es.«
Er schien mich nicht richtig gehört zu haben, denn seine Gedanken waren bereits gewandert und an einem Ziel angelangt, über das er jetzt mit mir sprach.
»Die Chefin ist im Krankenhaus. Sie ist zusammengebrochen. Es geht ihr sehr schlecht. Ich konnte es ihr nicht sagen und habe abgewartet, bis die Polizei hier war.«
»Das verstehe ich.«
»Aber jetzt sind Sie hier.«
»Genau.«
Enrico schaute auf sein Glas. »Ich hätte keinen Grappa trinken sollen, weil mir der Doc auch eine Spritze gegeben hat. Aber
Weitere Kostenlose Bücher