1522 - Teuflische Gespielinnen
Sie.«
»Ja, das ist klar. Aber ich glaube nicht, dass wir etwas gesehen haben.«
»Sind Sie Sidney Viper?«
»Ja.«
»Und Blanche Junot?«
»Wohnt mit mir zusammen. Stört Sie das?«
»Nein, auf keinen Fall. Ich hätte nur auch gern mit ihr gesprochen, wenn es möglich ist.«
Sie dachte nach. Dabei wurde ich gemustert und kam mir vor wie ein Dressman unter den prüfenden Augen eines Fotografen.
»Okay, kommen Sie rein.«
»Danke.«
Die Erleichterung ließ ich mir nicht ansehen. Ich war froh, als sie mir die Tür öffnete und ich über die Schwelle treten konnte und damit hinein in das weiche Licht, das sich in einer Diele ausbreitete, die sehr geräumig war.
Ich sah Sidney Viper jetzt vom Kopf bis zu den Füßen. Sie war nicht mehr nackt. Dunkles Haar umrahmte ihren Kopf. Ihr Körper wurde von einem langen Kleid bedeckt, das aus einem rötlich grauen Stoff bestand, der sehr dünn war und im Gegenlicht durchsichtig wurde. So war zu erkennen, dass sie darunter nichts trug.
Vom Alter her schätzte ich sie auf vierzig bis fünfundvierzig Jahre. Sie hatte ein Durchschnittsgesicht, in das sich noch keine Falten gegraben hatten, denn Sidney Viper gehörte zu den Frauen, die man als fraulich bezeichnen konnte. Da saß alles dort, wo es hingehörte, bei ihr vielleicht noch ein wenig mehr.
Vom Eingangsbereich aus zweigten Türen ab. Zwei Zimmer mussten zur Straße hin liegen. Mir fielen auch die Bilder an den Wänden auf, die allesamt als Motive weibliche Akte zeigten.
Sie bemerkte meinen nicht uninteressierten Blick und sagte: »Ich mag Frauenkörper, Mr Sinclair.«
»Ich auch.«
»Dann sind wir uns dort schon mal einig.«
»Sie sagen es.«
Ich hatte damit gerechnet, dass sie mich in das Zimmer führte, von dem aus ich auf die andere Straßenseite schauen konnte, aber den Gefallen tat sie mir nicht. Sidney öffnete eine andere Tür, und dahinter lag ein Wohnraum mit einer großen Rundcouch. Auf den breiten Sitzen konnte man sich herrlich fläzen.
Davor stand ein Tisch. Nachdem ich den Blumenstrauß mit einem Blick gestreift hatte, sah ich den Rotwein in der Karaffe und auch die beiden bis zur Hälfte gefüllten Gläser. Zudem stand noch eine Schachtel Pralinen offen herum.
Auf der Couch saß im Yogasitz Blanche Junot. Ja, sie war schon um einige Jahre jünger als Sidney. Auch sie hatte schwarze Haare, ein weiches, fast noch jungmädchenhaftes Gesicht mit großen dunklen Augen, die mir entgegenschauten. Als Kleidung trug sie ein hellrotes Stück Stoff, das ihr bis zu den Oberschenkeln reichte.
Sidney Viper stellte mich vor. Blanche lächelte und streckte mir ihre Hand entgegen. Sie fühlte sich ein wenig kalt an und war auch leicht feucht.
»Bitte, nehmen Sie Platz.«
Ich hätte mich auch auf die Couch setzen können, was ich aber nicht wollte. Es gab noch einen schmalen Sessel mit hellem Lederbezug. Die große Sitzlandschaft War mit einem weichen roten Stoff bezogen, der kleine graue Sterne aufwies.
»Möchten Sie etwas trinken?«, wurde ich gefragt.
»Danke, nein. Ich will Sie nicht lange aufhalten. Ich möchte nur wissen, ob Sie gesehen haben, was sich gegenüber abgespielt hat. Dort hat sich eine Frau aus dem Fenster gestürzt, und jetzt suchen wir Zeugen. Ihre Wohnung hier liegt für eine Beobachtung natürlich ideal.«
»Das stimmt«, sagte Sidney und drehte ihren Kopf der jüngeren Frau zu.
»Hast du etwas gesehen, Blanche?«
»Nein, ganz und gar nicht. Wir waren ja hier.«
»Ja, das stimmt, Mr Sinclair.«
»Dann muss ich mich wohl geirrt haben.«
»Wieso?«
Sidney hatte mich so offen und harmlos angeschaut, und ich erwiderte ihren Blick ebenso.
»Ich war in der betreffenden Wohnung, schaute durch das Fenster auf Ihr Haus und habe Sie beide gesehen. Da waren Sie nicht hier im Zimmer, sondern in dem auf der anderen Seite.«
»Ach ja?«
»Sie können es mir glauben.«
Blanche schnippte mit den Fingern. »Mr Sinclair hat recht, Sid. Wir waren mal dort. Du hast den Vorhang zugezogen. Da haben wir auch gesehen, dass etwas passiert war. Aber darum kümmern wir uns nicht, wenn Sie verstehen. Wir haben die Wohnung hier geerbt und leben hier unser eigenes Leben. Die Nachbarschaft geht uns nichts an, wenn Sie verstehen.«
»Ja, das ist klar. Arbeiten Sie auch hier?«
Die beiden nickten, und Sidney Viper übernahm wieder das Wort. »Wir sind in der Modebranche tätig und entwerfen hier unsere Modelle. Das Zuschneiden geschieht natürlich woanders. Wir haben eine kleine Werkstatt angemietet.
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