1522 - Teuflische Gespielinnen
seine Welt.«
»Die ist für Menschen nicht gut. Sie ist böse, versteht ihr? Ein Mensch würde sich dort niemals wohl fühlen. All diejenigen, die es versucht haben, sind gescheitert, das müsst ihr mir glauben. Ich will euch damit nicht…«
»Hör auf, wir wissen es besser!«
»Nein, Sidney, ich werde nicht aufhören. Ich sage euch zum letzten Mal, dass dieses Wesen eine Gefahr für die Menschen ist. Wann werdet ihr das endlich begreifen?«
»Wir haben es begriffen!«
Es hatte keinen Sinn mehr, sie überzeugen zu wollen. Ich hätte ebenso gut gegen eine Mauer sprechen können.
Der gelbe und so fleischig wirkende Schädel mit der straffen Haut begann zu wandern. Er schwebte auf die Mitte des Spiegels zu.
Ich wollte nicht länger Zuschauer sein, sondern einen zweiten Test starten.
Dass mich das Kreuz nicht im Stich lassen würde, wusste ich, nun wollte ich es mit einer geweihten Silberkugel probieren und holte deshalb die Beretta hervor.
Das geschah recht langsam, denn ich wollte die beiden Frauen nicht aufmerksam machen.
Leider hatte ich vergessen, dass ich vor einem Spiegel stand, der auch mein Bild zurückwarf.
So wurde ich gesehen.
Ein wütender Schrei fegte aus Sidney Vipers Mund. Zugleich fuhr sie mit einer wilden Bewegung herum und legte alle ihre Kraft in einen Schlag, der gegen mich gezielt war.
Ich kam nicht mehr schnell genug weg.
Die Faust erwischte mich am Hals.
Es war ein äußerst glücklicher Treffer gewesen, und ich hatte das Gefühl, in den Himmel katapultiert zu werden. Plötzlich war alles anders.
Ich sah meine direkte Umwelt wie in einem Zerrspiegel. Die Proportionen hoben sich auf, das Bild, das ich sah, zersprang in verschiedene Teile, die sich nicht mehr zusammensetzten.
Alles lief quer. Ich bekam keine Luft mehr und merkte noch, dass ich zurückwich, ohne es eigentlich zu wollen. Die Wand hielt mich schließlich auf, aber auch sie konnte mein Zusammensacken nicht verhindern, und so landete ich in der Hocke.
Ich schnappte nach Luft. Meine Kehle brannte. Dieser verdammte Schlag war nicht so leicht zu verdauen. Ich schwankte von einer Seite zur anderen und umfasste mit den eigenen Händen meine Kehle, als wollte ich mich selbst erwürgen.
Aber ich wurde nicht bewusstlos. Ich bekam auch wieder Luft, auch wenn jedes Einatmen schmerzte, und ich war in diesem Augenblick froh, dass die beiden Frauen nicht nachgesetzt hatten.
Das Töten war wohl nicht ihre Sache. Das überließen sie lieber dem Dschinn.
Je mehr Zeit verstrich, umso besser ging es mir. Nur das Gefühl, mich auf der Verliererstraße zu befinden, das verließ mich nicht, und so musste ich warten.
Allmählich verschwanden die Schatten vor meinen Augen. Ich saß noch immer neben dem Fenster und sah jetzt den großen Spiegel. Es kam mir vor, als würde er aus dem Hintergrund nach vorn in meine Nähe geschoben werden, damit ich auch alles mitbekam.
Wenig später sah ich wieder klar.
Meine Augen weiteten sich. Aber nicht, weil ich so besser alles erkennen konnte, diesmal ging es um etwas anderes. Ich sah überdeutlich, was da passiert war.
Vor dem Spiegel lagen die beiden Kleidungsstücke, von denen sich die Frauen getrennt hatten. Sie waren nackt auf die Welt gekommen, und als Nackte hatten sie diese auch verlassen.
Der Spiegel war groß genug, um sie aufnehmen zu können. Sie hielten sich umschlungen, standen in einer Schräglage, ihre Wangen berührten sich und die Augen hielten sie halb geschlossen.
Aber sie waren nicht allein in diesem Spiegel. Über ihnen schwebte dieser verdammte gelbe Schädel des Dschinns und grinste teuflisch…
Das Bild prägte sich mir ein. Ich würde es nie vergessen, denn es war auch eine Premiere für mich. Zwei so unterschiedliche Personen hatten sich gefunden und sich dabei in die Arme eines Teufels begeben, denn so sah ich den Dschinn an.
Der Treffer hatte mich zwar nicht paralysiert, aber ich fühlte mich recht schwach. Aber nicht schwach genug, um meinen Plan in die Tat umsetzen zu können.
Ich war vorhin nicht mehr dazu gekommen, meine Waffe zu ziehen. Das holte ich nach. Wenn ich in den Spiegel hineinschoss, musste ich darauf achten, nicht die beiden Frauen zu treffen, die innerhalb des Spiegels auf mich wie ein Gemälde wirkten.
Der Kopf war groß genug, um ihn nicht zu verfehlen. Und das auch in meiner Lage.
Als ich die Beretta in der Hand hielt, merkte ich, dass es nicht einfach werden würde. Ich spürte ihr Gewicht, und deshalb nahm ich auch die andere Hand zu
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