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1527 - Gesil und der Gesandte

Titel: 1527 - Gesil und der Gesandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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erkannte die Blinde Göttin. Und wieder ohne bewußte Absicht.
    Genaugenommen, hatte die Zeitlose Bewegung sie vergewaltigt. Zwar war sie dadurch vielleicht vor dem Tode bewahrt worden, aber ein unkontrollierter Einsatz der rätselhaften Kraft konnte auch katastrophal enden.
    Sie kam jedoch nicht dazu, länger darüber nachzudenken, denn als die Steinlawine nach zirka zwanzig Sekunden mangels Nachschubs verebbte, wurde die folgende Stille abermals von schrillem Stimmengewirr durchbrochen. Diesmal war es von lautem Blubbern begleitet.
    Und es kam näher.
    Nicht schon wieder! dachte die Blinde Göttin und meinte damit die Zeitlose Bewegung. Sie fürchtete sich davor, ihrem unkontrollierbaren Wirken erneut ausgesetzt zu werden.
    Doch anscheinend war die Kraft, die das ermöglichte, durch die letzte Anwendung so sehr geschwächt, daß es vielleicht Tage dauerte, bis sie sich wieder aufgeladen hatte.
    Wenn überhaupt!
    Sie erinnerte sich an ihren letzten Tagtraum und an die Stimme aus dem bernsteinfarbenen Himmel, der sich als Seele von Ma-Nu-The ausgegeben hatte, der Inneren Welt.
    Vielleicht war sie dort mit der Kraft der Zeitlosen Bewegung aufgeladen worden - und vielleicht schwächte sich diese Kraft nach und nach ab, bis sie ganz erlosch.
    Das wäre immer noch besser als von ihr beherrscht zu werden! dachte die Blinde Göttin.
    Im nächsten Augenblick wurde ihr bewußt, daß das Stimmengewirr und das Blubbern verstummt waren.
    Sie sah sich um und erblickte etwa fünf Meter vor sich zwischen den staubigen Stämmen des Trockendschungels einen Kontiden, der als regloser, fladenförmiger „Ledersack" auf dem Boden stand (oder lag?) und eine Waffe auf sie richtete, wie sie auch die Schergen in der RAAK-T-OMM in ihren Pseudopodien gehalten hatten.
    Während sie noch hinsah, kamen weitere Kontiden von zwei Seiten herangerollt, auch sie bewaffnet.
    Sie war zu lange mit ihren Gedanken woanders gewesen, anstatt ihre Aufmerksamkeit in die Richtung zu lenken, aus der sie zuerst das Stimmengewirr von Kontiden vernommen hatte. „Ich bin unbewaffnet", sagte sie auf Spekra, das sie auf Talintan halbwegs beherrschen gelernt hatte.
    Niemand antwortete ihr.
    Statt dessen tauchten immer mehr Kontiden ringsum zwischen den Bäumen auf - und als sie sich umdrehte, sah sie, daß sich inzwischen auch ein paar dieser Wesen hinter ihren Rücken geschlichen hatten. „Hominid", sagte ein Kontide zu seinen Artgenossen. „Aber wenn er hominid ist, muß er von einer anderen Welt Truillaus gekommen sein."
    „Wer bist du?" wandte sich ein anderer Kontide an sie. „Blinde Göttin", antwortete sie. „So hat man mich genannt, weil ich mein Gedächtnis verloren habe - jedenfalls zum größten Teil. Meinen richtigen Namen kenne ich deshalb nicht. Aber ich stamme von keiner Welt dieser Galaxis."
    Heftiges Blubbern drang aus allen Kontidenmonturen.
    Gelächter? „Kein Außergalaktischer kommt in die Galaxis Truillau hinein", erklärte der zweite Kontide. „Es sei denn, mit Genehmigung des Bewahrers oder eines Vermittlers. Von wem bekamst du deine Genehmigung, Blinde Göttin?"
    „Von niemandem", antwortete sie. „Ich befand mich in einem Schiffswrack, das antriebslos in die Randzone Truillaus taumelte und von einem Sonnenfort vernichtet wurde. Ein Roboter katapultierte mich kurz vorher mit einer Rettungskapsel in den Raum. Dort wurde ich von der VARN-U-CIR aufgefischt."
    Sie preßte erschrocken die Lippen zusammen, weil sie unabsichtlich den Namen des Schiffes ausgeplaudert hatte. Wenn die Ordnungshüter ihre Aussage weitergaben, was sie für sicher hielt, bekam möglicherweise jemand heraus, daß es sich um den Namen eines Topar-Schiffs handelte. Dann würde man sie im Psychoverhör ausquetschen und alles über Talintan erfahren, was sie wußte - und so vielleicht diese Geheimwelt der Topar aufspüren und vernichten. „Die VARN-U-CIR ist eines unserer Schiffe!" schrillte der erste Kontide. „Schweig!" fuhr der zweite Kontide, der anscheinend der Anführer war, ihn an.
    Danach richtete er seine Waffe auf die Blinde Göttin. „Sag uns die Wahrheit!" befahl er. „Beinahe hätte ich dir deine Lügen geglaubt. Zu unserem Glück ist dir der Schiffsname VARN-U-CIR herausgerutscht. Das hat dich verraten. Du gehörst zur Zerpat, nicht wahr? Und du wurdest uns als lebendes Spionrelais vor die Sinne gesetzt, das uns zur Herausgabe von Informationen provozieren soll. Gestehe!"
    Sie wußte, er wollte sie töten, sobald sie gesagt hatte, was er erwartete.

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