1527 - Phantom der Hölle
gestanden hatten und noch immer standen.
Stefanie holte ein Tuch aus der Hosentasche. Sie nahm ihre Mütze ab und wischte über die Stirn. Ihr Kollege stand da und schaute an Harry Stahl vorbei auf das Loch.
»Das ist ein Hammer«, sagte er.
»Wieso?«
»Dass wir es geschafft haben. Hätte ich nicht gedacht. Ich habe eher mit einer Katastrophe gerechnet.«
»Ich auch«, gab Harry zu. »Manchmal muss man eben außergewöhnliche Dinge wagen.«
Stefanie Kirchner trat einige Schritte vor. Sie ging bis dicht an den Rand der Öffnung heran und fragte: »Kann man ihn denn sehen?«
»Nein. Er ist in der Dunkelheit untergetaucht.«
Die Polizistin hatte ihre Taschenlampe mitgenommen. Sie leuchtete in die Tiefe und hob dabei die Schultern. »Nichts zu sehen«, murmelte sie nach ein paar Sekunden. »Das Seil verschwindet in der Schwärze. Das verstehe ich nicht.«
»Es gibt Dinge«, sagte Harry, »da muss man einfach passen, da helfen rationale Erklärungen nicht weiter. Das ist eben so, und damit muss man sich abfinden.«
»Hört sich an, als hätten Sie es getan.«
»Das habe ich auch.«
Stefanie schaute ihn fassungslos an. »Was - was muss man denn da akzeptieren?«, flüsterte sie.
»Alles.«
»Und was bedeutet das?«
»Dass es neben der normalen Welt noch eine zweite oder eine dritte oder unendlich viele gibt. So muss man das sehen. Ich habe auch eine Weile gebraucht, um es zu kapieren, dann aber habe ich mich den Dingen gestellt, und jetzt kann ich damit recht gut leben. Zudem gehört es zu meinen Aufgaben, mich damit zu beschäftigen.«
»Ist das auch bei Ihrem englischen Kollegen so?«, wollte Rico Appelt wissen.
»Nicht anders. Nur ist er noch näher dran als ich, kann ich Ihnen sagen. Er beschäftigt sich ausschließlich mit solchen Phänomenen. Aber darüber sollten Sie beide nicht länger nachdenken. Nehmen Sie einfach hin, was geschieht, und lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen.«
»Das sagt sich so leicht.«
»Alles reine Gewöhnungssache«, meinte Harry. Er versuchte möglichst locker zu sein, um die anderen beiden nicht zu stark in Verlegenheit zu bringen.
Stefanie Kirchner deutete auf die Öffnung. »Wie lange wird John Sinclair dort unten bleiben?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben keine Zeit ausgemacht. Es kommt wohl darauf an, was er findet. Aber er wird uns schon ein Zeichen geben, wenn wir ihn hochziehen sollen, da mache ich mir keine Sorgen.«
Rico dachte anders darüber. »Falls man ihn lässt.«
»Dafür wird er schon sorgen.«
»Nun ja…« Rico hob die Schultern. »Ich weiß nicht so recht. Ich bin da weniger optimistisch.«
»Kann ich sogar verstehen«, sagte Harry.
Die Polizistin war zum Wagen gegangen. Sie holte flüssigen Proviant hervor. Es waren zwei Flaschen mit Mineralwasser.
»Mehr haben wir leider nicht«, sagte sie und reichte ihrem Kollegen eine Flasche.
»Wir können sie uns teilen«, meinte dieser zu Harry Stahl gewandt.
»Trinken Sie erst mal. Ich melde mich schon, wenn ich Durst verspüre.«
Harry hatte seine Lockerheit verloren. Er machte sich um John schon echte Gedanken. Es war schon zu viel Zeit verstrichen. John hätte sich längst melden müssen. Da dies nicht eingetreten war, ging er davon aus, dass er dazu nicht in der Lage war. Irgendetwas war passiert, das ihn daran gehindert hatte.
Er wollte es den Polizisten gegenüber nicht zugeben und spielte weiterhin den Optimisten. Sie sollten sich keine Gedanken um Johns Verschwinden machen, doch das taten sie trotzdem.
Es begann bei Stefanie Kirchner, die plötzlich zusammenzuckte und leise fragte: »Was war das?«
Rico sprang darauf an. »Was meinst du?«
»Das Geräusch!«
»Welches?«
»Dieses komische Rauschen oder Flattern. Habt ihr das nicht gehört?«
»Nein, das haben wir nicht.«
»Komisch.«
»Woher hätte es denn stammen können?«, fragte Rico.
»Von einem Vogel.«
»Ich habe keinen gesehen.«
Stefanie hob die Schultern. »Dann muss ich mich wohl geirrt haben. Kann ja mal vorkommen.«
»Klar.« Rico grinste. »Unsere Nerven sind eben etwas angeschlagen, sage ich mal.«
Harry Stahl hatte sich aus der Unterhaltung herausgehalten. Ihm gefiel nicht, was Stefanie Kirchner gesagt hatte. Die hatte es sich bestimmt nicht aus den Fingern gesaugt. Es musste schon mehr dahinterstecken.
»Wo ist dieses Geräusch denn gewesen? Konnten Sie es lokalisieren?«
Stefanie schaute Harry an. »Ich würde sagen, ganz in der Nähe. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Und gesehen haben
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