1530 - Das Grab-Gespenst
aus leeren Augenhöhlen angestarrt zu werden. Als gäbe es dort in irgendeiner Tiefe doch etwas, das ihn sehen ließ.
Er sah den Körper.
Auch hier waren keine hellen Knochen miteinander verbunden. Der Körper bestand aus einer kompakten Masse, die feucht glänzte. Als wäre sie aus dem zusammengebaut worden, was sich auch in diesem Sumpfgebiet befand.
Schlamm, auch alte Pflanzenreste und verfaultes Holz. Das hatte irgendjemand genommen und daraus einen Körper geformt. So jedenfalls kam es Ron vor.
Er fand seine Sprache wieder. »Verdammt«, flüsterte er. »Verdammt noch mal, wer bist du?«
Eine Antwort gab es nicht.
»Ich will es wissen.«
Das GrabGespenst reagierte auf seine Art und Weise. Mit einer schnellen Bewegung riss es beide Arme hoch. Noch bevor Ron ausweichen konnte, wurde er erwischt. Diesmal blieb sein Hals frei, dieses Sumpfwesen hatte sich für seine Brust entschieden. Die Hände hakten sich in seiner Kleidung fest. Der Griff löste sich auch in den folgenden Sekunden nicht. Dafür wurde er in die Höhe gerissen, zur Seite gedreht und dann nach vorn gestoßen.
Ron Sherwood ruderte mit beiden Armen. Er fand keinen Halt und prallte mit dem Rücken genau gegen den Baumstamm, der ihm noch vor kurzem eine Hilfe gewesen war.
Neue Schmerzen schössen durch seinen Körper bis hoch in den Kopf.
Er schrie leise auf, doch der Schrei war mehr ein Fluch, der auch ihm ganz allein galt, weil er sich hatte übertölpeln lassen.
Wie ein im Wind schwankendes Rohr stand er vor dem Stamm, was seinem Angreifer nicht reichte.
Er schlug zu.
Die matschig-weiche Handfläche pralle gegen Rons Kopf. Der Treffer brachte ihn zu Fall, und genau das hatte der Angreifer gewollt. Er ließ den Mann für einen Moment am Boden liegen und senkte nur seinen grünen Totenschädel.
Durch den Schlag hatte Ron die Übersicht verloren. Er wollte hoch kommen, gab sich mehrmals den Befehl und brachte es doch nicht fertig, zu groß war seine Schwäche.
Das GrabGespenst bückte sich. Er zerrte den linken Arm des Mannes in die Höhe und hielt ihn am Handgelenk eisern umklammert. Ron Sherwood lag am Boden. Dabei blieb es auch, als er durch das Gelände gezogen wurde wie ein totes Reh.
Er spürte die Schmerzen in seiner Achselhöhle. Er bekam die Unebenheiten des Untergrund mit. Die Wellen und Vorsprünge, Blätter und Gräser fuhren durch sein Gesicht oder verfingen sich in seinen Haaren.
Manchmal zwickten ihn auch abgefallene Zweige mit ihren Enden, und seine linke Gesichtshälfte wurde geschunden.
Dennoch gab er nicht auf. Zumindest gedanklich nicht. Er fragte sich, was dieses Wesen mit ihm vorhatte. Die Antwort gab er sich selbst und sie war erschreckend.
Der Sumpf lag zum Greifen nah vor ihm. In nicht mal einer Minute mussten sie den Rand erreicht haben, und ab dann gab es eigentlich nur die eine Lösung.
Verschwinden für immer!
Die Vorstellung trieb die Angst in ihm hoch. In diesem Augenblick war er nicht mehr in der Lage, normal zu denken. Die Kehle saß zu, das Herz schlug stärker, Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er hatte sich oft genug in dieser Gegend aufgehalten und manchmal auch daran gedacht, wie es den Menschen wohl ergangen war, sie sich nicht mehr aus dem Sumpf hatten retten können. Und das waren nicht wenige gewesen, wenn man den alten Geschichten glauben durfte.
Und ihm stand dieses Schicksal jetzt bevor!
Etwas riss in seinem Kopf. Es war für ihn zu schlimm, weiterhin darüber nachzudenken. Das durfte man überhaupt nicht so sehen. Das war einfach nur grauenhaft.
Sie waren da. Der Sumpf meldete sich lauter. Er hörte Wasser rieseln und gluckern. Auch das Zerplatzen von Blasen war dabei. Der Geruch hatte zugenommen. Noch lag er auf seinem weichen Grund und sank nicht ein, aber er wurde auch durch Pfützen gezogen. Sie signalisierten für ihn den Weg in den Tod.
Neben ihm bückte sich das GrabGespenst. Wieder umfassten ihn die weichen Hände. Sie griffen jedoch so fest zu, dass sie ihn in die Höhe hievten und dabei nicht abrutschten.
Rons Versuch, sich aus dem Griff zu befreien, misslang. Er machte sich nur lächerlich und dachte plötzlich daran, dass er auch von dieser Stelle am Rand mit genügend Kraft in den Sumpf geschleudert werden konnte und darin versank.
Er sah keine Chance mehr. Bald würde für ihn das Licht ausgehen und dann fiel er.
Ron Sherwood wartete auf das Klatschen und darauf, dass brackiges Wasser über ihm zusammenschlug.
Es passierte nicht.
Stattdessen landete er auf
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