1530 - Das Grab-Gespenst
und man glaubte daran, dass es Vorgänge gab, die im Bereich des Nicht-Sichtbaren lagen. Man sprach über Dämonen, Geister und andere unheimliche Gestalten, die auch mal die Welt der Menschen unsicher machten.
So verhielt es sich auch mit dem GrabGespenst, das ebenfalls zu diesem Klientel zählte. Angeblich hatte es niemand gesehen, aber wer bei den Leuten nachforschte, der konnte sich sogar die Beschreibung anhören, denn die war bekannt.
Sie war überliefert worden. Eltern, Großeltern, auch Urgroßeltern hatten schon von dieser unheimlichen Sumpfgestalt gewusst und berichtet, dass es sich immer wieder mal zeigte, um Menschen zu holen, die dann auf Nimmerwiedersehen verschwanden, denn der Sumpf gab freiwillig nichts her.
Es war nicht tot. Er lebte, er meldete sich - und er roch!
Genau diesen bekannten Geruch nahm Ron Sherwood jetzt auch wahr.
Ein seichter Wind trieb ihn heran, und so wurde ihm noch mal klargemacht, dass er in der unmittelbaren Umgebung lag.
Wie ein Stück Holz hatte man ihn abgelegt. Aber Ron war aus seinem Zustand erwacht, und das wiederum trieb einen Schimmer der Hoffnung in ihm hoch.
Dass er auf dem Rücken lag, wusste er. Seine offenen Augen schauten gegen einen Himmel, der noch nicht richtig dunkel war, aber der Tag hatte sich bereits verabschiedet, und jetzt kam ihm auch in den Sinn, dass er sich mit den beiden Conollys hatte treffen wollen. Sie würden vergeblich auf ihn warten und sich Sorgen machen und möglicherweise ihn sogar vergessen.
Nein, das konnte sich Ron nicht vorstellen. So etwas tat ein Mann wie Bill Conolly nicht. Wenn bei ihm nicht alles so lief, wie er sich vorgestellt hatte und wie es verabredet war, dann würde er selbst die Initiative ergreifen und nachsehen.
Aber würde er auch auf den Gedanken kommen und hier am Brachland suchen? Da hatte Ron seine Zweifel. Er bewies, dass er jemand war, der sein Schicksal auch selbst in die Hand nehmen konnte. Er war hier abgelegt worden, aber er war nicht tot, und genau die Tatsache war für ihn die Antriebsfeder.
Aufstehen und weglaufen, bevor dieses seltsame Monstrum zurückkehrte.
Das Liegen hier war für ihn nur eine Übergangslösung. Der Gedanke, für immer und alle Zeiten im Sumpf zu verschwinden, sorgte dafür, dass er seine Gedanken sofort in die Tat umsetzte und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.
Er hob seinen Oberkörper an. Das klappte gut, nur an seinem Hals kehrten die Schmerzen zurück. Er glaubte, von unsichtbaren Händen gewürgt zu werden.
In der Nähe wuchs ein schmaler Baum mit dem hellen Stamm einer Birke. Er kroch dorthin und benutzte den Stamm als Stütze. So zog er sich auf die Beine und freute sich darüber, dass er nicht wieder in den Knien einknickte.
Die erste Etappe hatte er hinter sich. Die Schmerzen innen und außen am Hals musste er ignorieren. Es war jetzt wichtig, dass er nach Gwenter kam und dort von seiner Begegnung mit dem GrabGespenst erzählte. Die Menschen würden ihn zwar für verrückt halten, innerlich würden sie ihm zustimmen, denn auch sie fürchteten sich davor, obwohl die Gestalt nur eine Legende war, mit denen man nicht nur Kinder eine starke Angst einjagen konnte.
Ron Sherwood merkte, dass er ziemlich fertig war. Er konnte noch nicht losgehen, er stützte sich weiterhin am Stamm ab, um Kraft zu sammeln.
Es brachte nicht viel, wenn er jetzt loslief und vor Schwäche sich kaum auf den Beinen halten konnte.
An einer anderen einsamen Stelle in der Landschaft wäre es still gewesen. Das erlebte er hier nicht. So ruhig ihm der Sumpf auch tagsüber vorkam, so wenig traf dies zu, wenn man sich auf ihn konzentrierte. Er hörte ihn. Er gab Geräusche ab, und als er sie hörte, da kam ihm der Vergleich mit einem gewaltigen Magen in den Sinn, der dabei war, eine Mahlzeit zu verdauen. Er glaubte, aus den Lauten ein Schmatzen, ein Rülpsen oder Würgen zu hören.
Ron wollte endlich weg und stieß sich vom Stamm der Birke ab. Seine Schritte waren nicht so wie er es sich vorgestellt hatte. Schleppend und schwer. Er kämpfte sich voran und wollte die Straße erreichen um dort…
Das Hindernis war plötzlich da. Und wieder wurde er an die Szene in seinem Haus erinnert, denn wie aus dem Nichts stand plötzlich das GrabGespenst vor ihm.
Es hatte sich nicht verändert. Nur der verdammte Totenschädel schien noch stärker zu leuchten und die grüne Farbe warf ihren Schatten bis auf sein Gesicht.
Der Unheimliche sagte kein Wort. Es war schon seltsam, aber Ron hatte den Eindruck,
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