1531 - Besuch auf Terra
hoch. Hier holte sie der moderne Alltag Terras schnell wieder ein. Für Bodenfahrzeuge zog sich ein graues Band mit vier Spuren neben dem Fluß entlang. Viel Verkehr herrschte hier auf dem Boden allerdings nicht.
Lichtbojen markierten einen dreifachen Flugkorridor darüber, der eine Höhe von vierundzwanzig Metern erreichte. Die Signale wiesen aus, daß die beiden unteren Spuren dem Privatverkehr dienten, während die obere nur für Sonderzwecke freigegeben werden konnte. Der gesamte Verkehr hier lief ohne Ausnahme über das Verbundnetz der Leitzentralen. Die Gleiter passierten in Abständen von etwa zwanzig Sekunden die drei Beobachter. „Dort hindurch!" Massimo Prioretti zeigte auf einen Stollen, der unter der Fahrbahn auf die andere Seite führte.
Die Frauen folgten ihm. Auf der anderen Seite verliefen dicht am Hang des Berges drei schmale Spuren von jeweils etwa zwei Metern Breite. Zwei davon waren Laufbänder, auf denen sich etwa alle fünfzig Meter Sitzbänke befanden mit Blickrichtung zum Fluß.
Auf dem Rhein schwamm träge ein Ausflugsschiff dahin. Ida staunte, denn so ein Wasserfahrzeug kannte sie nur aus Erzählungen. „Der Nachbau eines Rheindampfers aus dem Jahr 1923", erklärte der Touristenführer. „Natürlich verfügt er über moderne Antriebssysteme. Das Schiff kann auch als Gravogleiter eingesetzt werden."
Das dritte Band war ein ganz normaler Fußweg, die einzige Einrichtung ohne jede Spur von Technik.
Tatsächlich erblickte Ida in einigen hundert Metern Entfernung eine Wandergruppe von Jugendlichen, die sich wirklich zu Fuß bewegten. „Es kann nicht schaden", meinte sie, „wenn wir auch unsere Beine benutzen. Kommt!"
Sie schlugen ein eher gemütliches Wandertempo an. Massimo berichtete von Zeit zu Zeit über das Leben hier, über die lange Geschichte der Menschen, die hier gelebt hatten, über die früheren Burgen, die Rheinfähren, den Weinbau und die vor ihnen auftauchende Ortschaft Sankt Goarshausen. Der Touristenführer verstand es ausgezeichnet, mit bloßen Worten eine plastischen Eindruck zu vermitteln.
Manches davon klang für Ida so absurd, daß sie sich in eine andere Welt versetzt fühlte. So wollte sie nicht glauben, daß die beiden Orte Sankt Goar und Sankt Goarshausen jahrhundertelang nur mit Fährschiffen verbunden gewesen waren und man keine Brücke über den Rhein gebaut hatte.
In Sankt Goarshausen herrschte ein reges Treiben. Das Städtchen war wieder dicht bewohnt.
Auch kamen wie eh und je viele Touristen hierher.
Die drei wechselten nun doch auf das Transportband, weil Ida darum bat. Die Nähe vieler Terraner weckte in ihr Gefühle des Unbehagens.
Außerhalb der Ortschaft verließen sie das Band dicht unter dem Loreley-Felsen. Über eine steile Steintreppe begann der Aufstieg.
Massimo Prioretti erzählte von der alten Mär der schönen Maid, die oben auf dem Felsen saß und mit ihrem betörenden Gesang die Fischersleute ablenkte, bis ihre Boote an den Klippen zerschellten. Auch spielte er mit einem Recorder den beiden Frauen das Lied von der Loreley vor.
Es war merkwürdig, aber der Gesang berührte Ida. Sie fühlte sich plötzlich ganz als Idinyphe.
Ihre Sehnsucht, diese absurde Reise über die Erde abzubrechen und nach Akkartil zu starten, wurde immer stärker.
Sie war froh, als sich der Tag dem Ende zuneigte. Massimo Prioretti startete den Gleiter zur letzten Etappe, dem tibetanischen Dorf Komol-Ton.
*
Ho-Munn-Kun: Seiner Bitte, in Komol-Ton einen Tag ohne Programm einzulegen, hatten alle anderen entsprochen. So kam es, daß die Terra-Touristen sich mit kleinen Spaziergängen die Zeit vertrieben und die seltsam geformten Häuser des Bergdorfs studierten.
Costa Alexoudis beschäftigte sich auch jetzt mit seiner seltsamen Kamera. Er schoß alle paar Minuten ein Bild.
Schon früh hatte sich Ho-Munn-Kun von den anderen getrennt. Er sei müde und wolle einmal in Ruhe ausschlafen. Das hatte er gesagt. Aber die beiden Priorettis ahnten, daß er etwas anderes beabsichtigte.
Als sie sich gegen Abend in ihre Kabine zurückziehen wollten, fanden sie dort eine Notiz vor.
Wir treffen uns am stillgelegten Transmitter. Ho. „Ich habe es gewußt, Massimo." Daniela Prioretti seufzte. „Und du auch nach unserem letzten Gespräch von Manau nach Dahlheim. Ich vertraue ihm. Vielleicht kann er uns helfen."
„Wenn das stimmt, was er dir sagte", antwortete der Bruder, „dann müssen wir schnell handeln.
Denn wenn der Widerstand in uns wächst, werden wir uns
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