1531 - Besuch auf Terra
auch geklärt werden sollte. Ich habe ihn gestern zweimal bemerkt. Leider kann ich ihn nicht optisch erfassen."
„Um was geht es dann?"
„Um deinen Bruder und dich. Massimo hatte keinen Schwächeanfall, als er im Hyperdrom war.
Er stand kurz vor dem geistigen Verfall. Er wäre wahnsinnig geworden, wenn ich nicht eingegriffen hätte."
„Du hast ..."
„Ja, ich habe ihm etwas verabreicht, das seinen Verstand für etwa drei Wochen stabilisiert."
„Die Krankheit unserer Eltern", murmelte die Frau. „Sie hat auch ihn erwischt. Das ist schlimm."
„Erzähle mir von deinen Eltern!"
„Sie starben, als Massimo und ich drei Jahre alt waren. Ich habe nur eine ganz verschwommene Erinnerung.
Manchmal habe ich Alpträume. Ich sehe ihre Gesichter. Sie sind blutverschmiert. Die Augen treten hervor, und sie ..."
„Sprich weiter!" bat Ho-Munn-Kun. „Wenn es Massimo erwischt hat, dann ... Wieso nicht auch mich?"
„Ich glaube, daß der Betroffene gar nicht merkt, was mit ihm geschieht. Berichte weiter von deinen Eltern!"
„Wir lebten auf Quadrolon. Das ist irgendwo im Simban-Sektor. Eine kleine Kolonie von vielleicht tausend Menschen, alles Aussiedler von Olymp. Die Verwandten, die uns aufzogen, haben das Thema der Krankheit meiner Eltern gemieden wie die Pest. Ich weiß nur, daß es sich um eine unheilbare und unbekannte Krankheit handelte."
„Weiter! Ich möchte alles wissen, auch die Kleinigkeiten oder etwas, woran du dich nur verschwommen erinnerst."
„Einen offiziellen Namen hat die Krankheit nicht. Der Doc von Quadrolon nannte sie ›Quadro-Wahn‹. Er meinte zu unserem Abschied, die Krankheit sei nach seinen Untersuchungen erblich. Angeblich seien auch meine Großeltern daran gestorben. Massimo und ich seien gefährdet. Er meinte auch, daß der Quadro-Wahn womöglich auf anderen Planeten nicht existiere oder auch nicht zur Entfaltung kommen könnte."
„Sind dir irgendwelche Merkwürdigkeiten an dir selbst aufgefallen? Denke bitte genau nach, denn in den Pupillen deiner Augen habe ich schon bei der ersten Begegnung gesehen, daß du auch befallen bist."
„Ich bin ..." Daniela griff sich erschrocken an die Brust. „Im Moment bist du stabil", beruhigte sie der Mann. „Ich habe auch dir heimlich ein Medikament verabreicht, das dafür sorgt. Ich verstehe etwas von diesen Dingen. In einigen Tagen werde ich Terra verlassen müssen.
Dann ist es für Massimo und dich nur eine Frage der Zeit, bis der Quadro-Wahn zum Ausbruch kommt."
*
Daniela Prioretti brauchte einen Moment, bis sie Worte fand. „Wie du das sagst! Bedeutet dir ein Menschenleben nichts?"
„Auf diese Frage gebe ich dir keine Antwort. Du solltest mir sagen, was dir an Merkwürdigkeiten an dir selbst aufgefallen ist."
„Ich habe manchmal Schwindelanfälle oder Schweißausbrüche. Ich glaube, dabei entstehen bisweilen Gedächtnislücken. Oder Sinnestäuschungen. In Terrania auf dem Raumhafen vermeinte ich einmal für Sekunden, daß du verschwunden wärst. Ich konnte dich nicht sehen, obwohl du keine zehn Meter von mir entfernt neben Massimo standest."
„Weiter! Was ist dir noch aufgefallen? Konzentriere dich!"
Daniela Prioretti hockte jetzt wie ein Häufchen Elend im Pilotensessel, „Diese Stimme.
Manchmal ist da eine Stimme. Wirklich. Ich höre sie nicht über meine Ohren. Sie entsteht in mir."
„Was sagt sie?"
„Ich weiß es nicht. Ich vergesse die Worte."
„Sagt sie immer das gleiche?"
„Ich glaube, ja."
„Wir müssen in Erfahrung bringen, was sie sagt und warum sie es sagt. Vielleicht ist das der Schlüssel zu eurer Krankheit."
„Ich muß das erst verarbeiten, was du da sagst. Ich bin völlig durcheinander."
„Dieser Quadro-Wahn könnte eine unbewußt eingebildete Krankheit sein. Sie wird wahrscheinlich stufenweise durch bestimmte Zufälle ausgelöst. Wenn wir den Text des angeblich Gehörten hätten, wären wir einen Schritt weiter."
Daniela schwieg. Sie starrte vor sich hin. „Du findest hier auf der Erde sicher Medo-Spezialisten, die dir helfen können. Ich habe nur den Eindruck, daß es ein Teil dieses Wahnsinns ist, daß ihr euch gar nicht helfen lassen wollt Du und Massimo, ihr bildet euch ein, ihr wäret unheilbar krank. Da liegt die eigentliche Gefahr."
„Ich brauche jetzt Ruhe."
„Das ist typisch. Ab einem gewissen Punkt weist du jede Unterstützung zurück. Das ist keine Logik. Es hat auch mit Gefühlen nichts zu tun. Vielmehr ist das ein Symptom des Quadro-Wahns. Die Krankheit erhält sich
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