1537 - Der Schlafwandler
die so etwas wie der Mittelpunkt der Dachwohnung war. Zu ihr gehörten noch zwei andere Räume. Vom Flur aus gelangte man auch in ein kleines Bad und eine Toilette.
Völlig dunkel war es im Raum nicht. Unter der Decke schaukelte einen Glühlampe, neben der ein Band hing, mit dem man die Birne einschaltete.
Jetzt brannte sie.
Das Licht war weich. Es hatte eine rötliche und eine leicht gelbliche Farbe, aber es erreichte kaum die Wände und ließ auch den Mann auf dem Bett in einem relativen Dunkel zurück.
In diese obere Etage verlief sich selten ein Mieter der Wohnungen darunter, und deshalb hatte Karel Sorbas diese Welt für sich allein. Hier wurde er nicht gestört, hier hatte er seine Ruhe, die er brauchte.
Besonders genoss der Mann mit der russischen Mutter und dem griechischen Vater die Stille der Nacht. Karel schlief!
Und er schlief sehr fest. Die Welt um ihn herum schien in dichte Watte gehüllt zu sein. Sein Gesicht wirkte entspannt.
Es war sehr still. Da knackte nichts. Da gab es kein Schaben oder Kratzen. Die Welt draußen schien überhaupt nicht vorhanden zu sein.
Wer hier wohnte, dessen Leben konzentrierte sich auf die kleine Wohnung und auf sonst nichts.
Der Schlafende bewegte sich nicht. Er dachte gar nicht daran, sich auf die Seite zu legen. Sein Mund stand leicht offen, sodass der Atem aus dem Spalt pfeifen konnte.
Entspannte Gesichtszüge. Und wer genau hinschaute, der entdeckte sogar das Lächeln auf den leicht verzogenen Lippen. Die geschlossenen Augen ließen lange Wimpernhaare erkennen. Nichts wies darauf hin, dass der Mann in den nächsten Minuten erwachen würde.
Auch seine Umgebung veränderte sich, während draußen der volle Mond am Himmel stand, um die Welt zu beobachten.
Und doch blieb die Szene nicht so. Etwas passierte. Zwar nicht im Zimmer, sondern außerhalb. Da wurde die Stille plötzlich unterbrochen.
Nicht sehr abrupt, eher abwartend und leise. Als wäre jemand dabei, durch den Flur zu schleichen.
Der Mann auf dem Bett merkte nichts davon. Er schlief weiter, und seine Augen blieben geschlossen. Er rührte sich auch nicht, als das Geräusch die Tür zu seinem Zimmer erreichte. Wäre er jetzt wach geworden, er hätte schon das leise Knarzen vernommen und hätte auch gesehen, dass sich die Klinke nach unten bewegte.
Jemand kam, jemand wollte zu ihm!
Die nach unten gleitende Klinke verursachte kein Geräusch, aber die Tür, als sie aufgestoßen wurde. Die Angeln produzierten eine nicht eben angenehme Melodie, doch die Gestalt kümmerte sich nicht darum. Sie schob die Tür weiter auf, damit sie das kleine Zimmer mit der Schräge betreten konnte.
Sie überschritt die Schwelle. Sie setzte die Füße vorsichtig auf die Bohlen, doch es half nicht viel, denn wieder erklang ein leises Knarzen.
Der Mann auf dem Bett merkte nichts. Er veränderte seine Haltung nicht.
Steif wie ein Brett lag er nach wie vor auf dem Rücken und hielt die Augen geschlossen. Auch seine Atemzüge veränderten sich nicht. Sie blieben weiterhin ruhig, sodass die Gestalt, die neben dem Bett stehen blieb, zufrieden sein konnte.
Es war eine Frau.
Es war die Frau vom See, die sich äußerlich nicht verändert hatte. Sie trug nach wie vor den langen Mantel und darunter das sexy Outfit. Aber sie hatte auch die Waffe mitgebracht. Ohne das Beil mit dem langen Stiel fühlte sie sich nicht wohl. Sie hatte die Waffe leicht angehoben, damit sie nicht über den Boden schleifte, und setzte sie erst ab, nachdem sie stehen geblieben war.
Es war still, abgesehen von den Atemzügen des schlafenden Karel Sorbas.
Die Frau mit den kurzen Haaren senkte den Kopf. Sie wirkte sehr zufrieden. Der Mann trug noch immer seinen langen Mantel, der in der Körpermitte gegürtelt war.
Angel senkte den Kopf. Sie konzentrierte ihren Blick auf das Gesicht des Schlafenden, in dem sich nichts bewegte.
Oft konnte man an den Gesichtern der Menschen ablesen, wenn sie etwas träumten. Dann spielte sich dort etwas ab. Das war hier nicht der Fall, denn das Gesicht blieb ohne Ausdruck.
Angel lächelte. Sie war zufrieden. Dann streckte sie eine Hand vor und spreizte die Finger. Für einen Moment schwebte die Hand über dem Gesicht des Schlafenden, bis die Frau sie senkte und mit den Kuppen über die Haut strich, um den Schlafenden zu streicheln.
Sie tat es zweimal. Mal von links, dann von rechts, als wollte sie ein Zeichen setzen.
Und sie schaffte es.
Karel zuckte leicht zusammen. Die Augendeckel fingen an zu flattern.
Aus seinem Mund
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