1538 - Teufelspilger
weiterzugehen. Er brachte seinen Mund dicht an Matts Ohr.
Er sprach nur einen Satz, den Lintock gut verstand, momentan allerdings nicht wusste, was er damit anfangen sollte.
»Wir sind angekommen.«
Lintock riss die Augen noch weiter auf. Er wollte sehen, wo sie angekommen waren, aber seine Umgebung hatte sich nicht verändert. Es gab keine fürchterlichen Monster, die nach ihm gegriffen hätten.
Alles, was sich die Menschen über die Hölle ausgedacht hatten, das traf in Wirklichkeit nicht zu.
Sie war so anders, und ihre Gewalt konnte nur als subtil bezeichnet werden.
»Wie fühlst du dich?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte Lintock.
»Doch, du musst etwas fühlen. Menschen haben Gefühle, und noch bist du ein Mensch. Aber du bist am Ende des Pilgerwegs angelangt, und nur das zählt für mich. Alles andere kannst du vergessen.«
»Ich will es sehen.«
»Was?«
»Die Hölle!«
Adrian kicherte. »Das kannst du auch«, sagte er dann. »Aber du musst erst die entsprechende Reife haben, und die kann nur ich dir geben. Alles andere vergiss.«
Die Stimme des Propheten hatte Lintock von seinen eigenen Gefühlen abgelenkt. Er hätte gern eine Antwort gegeben. Nur funktionierte sein Denken nicht mehr. Er musste sich treiben lassen, und er hatte das, was sein bisheriges Leben ausgemacht hatte, schon vergessen.
»Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem du ganz zu uns gehören wirst. Und du wirst von nun an anderen Gesetzen gehorchen. Alles andere ist nicht mehr wichtig. Die Hölle hat ihre eigenen Gesetze. Du wirst nicht fliehen, wie es leider einem meiner Diener gelungen ist. Aber dafür habe ich einen deiner Freunde geholt und nun auch dich. So gleicht sich alles aus…«
»Was verlangst du von mir?«
»Die Veränderung. Es ist genug der anderen Macht in dir, um sie herbeizuführen. Du wirst auch äußerlich zeigen, zu wem du gehörst. Es ist bei dir alles auf den Kopf gestellt. Was hinten war, ist vorn. Was vorn war, das ist hinten. Ist dir das klar geworden?«
»Ich weiß es.«
»Dann bin ich zufrieden.«
Noch waren Matt Lintocks Hände gefesselt. Das wollte Adrian ändern. Er fummelte an den Handgelenken herum und zerrte das Klebeband los.
Das Ziehen und Zerren auf der Haut spürte Matt Lintock so gut wie nicht.
Er war innerlich aufgedreht. Er hatte gehört, was mit ihm passiert war, und er akzeptierte es.
»Heb deine Hände an.«
»Gern.«
»Umfasse deinen Kopf!«
Matt Lintock dachte nicht daran, sich zu wehren. Er legte die Hände an seinen Kopf. Beide Ohren wurden von ihnen verdeckt, das war im Moment alles. Er blieb in dieser Haltung stehen und schaute zu, wie sich Adrian in Bewegung setzte und vor ihm stehen blieb.
Sie schauten sich an.
Es war hell genug, um die Kälte in den Augen des Propheten zu erkennen.
Sie passte in diese düstere Umgebung, ebenso wie das Grinsen auf den Lippen in diesem völlig haarlosen Gesicht. Es sah nicht mehr so bleich aus. Das farbige Licht hatte seine Schatten auf dem Kopf und dem Gesicht hinterlassen, und auch die langen Klauen hatten sich farblich verändert.
Er hob die Arme an und damit auch seine Hände. Er präsentierte sie dem Mann, der vor ihm stand und seinen Blick nicht davon lösen konnte.
Die Klauen sahen aus, als würden sie jeden Augenblick zugreifen wollen, um mit ihren Spitzen über das Gesicht des Mannes zu kratzen.
Das hatte Adrian nicht vor.
Er nickte Lintock zu. Es war der Beginn des endgültigen Hineingleitens in diese neue Welt.
»Dreh deinen Kopf!«
Matt Lintock hatte den Befehl gehört. Wäre er normal und nicht durch diese höllische Welt beeinflusst gewesen, er hätte sich mit allen Mitteln gewehrt. So aber war er ein Teil von ihr und gehorchte.
Er drückte noch mal zu. Dann drehte er seinen Kopf nach links.
Was bei einem normalen Menschen so gut wie unmöglich war, das klappte bei ihm. Jeder andere hätte vor Schmerzen geschrien, nicht Lintock, denn er war plötzlich in der Lage, seinen Kopf so weit zu drehen, dass er jetzt gegen die Wand schaute.
Er hielt inne.
Genau das passte Adrian nicht. »Weiter! Weiter!«, hetzte dieser. »Los, mach weiter! Es reicht noch nicht!«
Lintock zögerte nicht.
Der Druck, der Ruck. Keine Schmerzen. Er hatte das Gefühl, alles liefe von allein. Und es ging tatsächlich ohne Schmerzen ab. Er brauchte nur eine Vierteldrehung, um den Wunsch des höllischen Propheten zu erfüllen.
Dann war es geschafft!
Matt Lintock lebte noch. Er schaute nach vorn, aber eigentlich nach hinten.
Er sah Adrian nicht
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