1538 - Teufelspilger
Er dachte an eine gewaltige Feuersbrunst, in der die Sünder eingeschlossen waren, nicht verbrannten, sondern ewige Qualen erlitten, bis das Ende der Zeiten erreicht war, wo sie dann auch keine Erlösung fanden.
So sah es hier nicht aus.
In diesem Fall bestand der erste Bereich der Hölle aus einem Tunnel, der in eine Tiefe hinabstach, die es seiner Meinung nach gar nicht gab und auch nicht geben konnte.
Aber hier war alles anders. Man konnte die Gesetze der Physik vergessen.
Es vermischten sich die Formen, und so kam es ihm vor, als hätte der Tunnel kein Ende.
Er war der Weg, und er war nicht dunkel, denn in ihm verteilte sich eine ungewöhnliche Helligkeit. Lampen sah er dabei nicht. Die Helligkeit drang aus den Wänden des Tunnels. So erkannte Matt Lintock, dass sie nicht gerade waren, sondern halbrund. Es war kein Grund zu sehen. Wer in den Tunnel hineinging, der musste den Eindruck bekommen, zu schweben, und auch das sorgte bei Lintock für ein tiefes Gefühl der Furcht.
Er ging weiter.
Er musste es tun, denn der Druck in seinem Rücken verschwand nicht.
Adrian ließ nicht von seinem Plan ab. Er trieb den Mann weiter, denn bisher hatte die Hölle jedes Opfer bekommen.
Lintock hatte keine lange Strecke zurückzulegen. Mit jedem Schritt, der ihn näher an das unheimliche Ziel heranbrachte, steigerte sich auch seine Angst. Wenn er Luft holte, dann hatte er das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können. In seinem Kopf hatte sich ein Druck festgesetzt, der nicht weichen wollte. Schweiß rann in schmalen Bahnen über sein Gesicht.
Wo war das Feuer? Wo waren die Ungeheuer oder die schrecklichen Dämonen, von denen immer erzählt wurde?
Er sah sie nicht.
Nur das glosende Licht aus den Wänden fiel ihm auf. Es war violett, und er hatte den Eindruck, dass es zur Hölle passte.
Sollte ihm das Hoffnung geben, dass er keines dieser Monster sah? Und auch keine Gestalt auftauchte, der man eine Ähnlichkeit mit dem Teufel zuschreiben konnte, so wie die Menschen ihn sich vorstellten und sich Bilder von ihm geschaffen hatten?
Er wusste es nicht. Er wusste gar nichts mehr. Sein normales Denken war ausgeschaltet. Hinter sich hört er die zischenden Laute, die Adrian ausstieß.
Dann hatte er den Eingang erreicht. Jetzt war es endgültig. Ein Zurück gab es für ihn nicht mehr.
»Geh!«, flüsterte die Stimme hinter ihm. »Geh in mein Reich…«
Matt Lintock war ein harter Knochen. In seinem Leben hatte er einiges hinter sich. Jetzt aber war alles anders geworden. Hier gab es keine Chance zur Rückkehr. Hier konnte er sich nicht aus eigener Kraft befreien. Er wurde durch den Druck in seinem Rücken in die Hölle hineingeschoben.
Sie umfasste ihn. Seine Haut zog sich zusammen. Er rechnete mit einem plötzlichen Feuersturm, der ihm die Haut von den Knochen brannte.
Auch das geschah nicht. Er konnte sich weiter nach vorn bewegen und trat in eine Umgebung, die es ihm sogar erlaubte, Atem zu holen. Da gab es keine Hitze, die seine Lungen verbrannt hätte, die Hölle hier war nicht mal warm. Matt spürte etwas anderes und wollte es kaum glauben. Es war sogar eine tiefe Kälte, die ihn umfangen hielt. Sie bohrte sich in seine Haut hinein, sie übernahm sein Inneres, und er erlebte Gefühle, wie er sie zuvor nicht gekannt hatte.
Etwas Böses nahm von ihm Besitz. Es kam ihm vor, als wären die Wände damit gefüllt. Es hatte sich dort ausgebreitet und ging nun auf ihn über.
Kalte Gefühllosigkeit, die seine Gedanken erfasste. Vorstellungen durchdrangen seinen Kopf, bei denen die Gewalt an erster Stelle stand. Sie waren einfach grauenhaft, das Böse hatte sich umgedreht, denn jetzt empfand er es als gut.
Mit jedem Schritt, den er tiefer in diese Welt hineinging, verschlimmerte es sich.
Und er hörte Adrians Stimme in seinem Rücken.
»Es ist dein Weg, es ist der Weg der Pilger. Du bist von nun an ein Teufelspilger, der nichts anderes mehr kennt.«
Matt Lintock gab keine Antwort, denn er wusste, dass es stimmte. Er kam nicht mehr davon los. In seinem Hirn entstanden schreckliche Bilder. Er sah sich mit einer Waffe in der Hand auf Menschen schießen.
Er sah, wie die Kugeln ihre Körper zerfetzten. Er sah das Blut spritzen.
Er hörte ihre fürchterlichen Schreie, und das düstere Licht um ihn herum schien diese schrecklichen Bilder zu produzieren, die sich in seinem Kopf festsetzten.
Hinter ihm kicherte der Prophet des Teufels. Er legte Lintock beide Hände auf die Schultern und zwang ihn so, nicht mehr
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