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1539 - In der Eastside

Titel: 1539 - In der Eastside Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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eine kleine Figur.
    Eine Figur mit kurzen Beinen und einem flachen Kopf, der an einem langen, schlaffen Hals baumelte - eine aus Stoffresten gefertigte Puppe, die einen Blue darstellte.
    Ein Kinderspielzeug.
    Die Puppe zeigte deutliche Spuren der Abnutzung, aber sie war mit Sicherheit nicht älter als einige Jahre. „Kinder?" fragte Tekener leise und erschrocken. „Aber es kann doch in dieser Umgebung keine Kinder geben!"
    Dao-Lin-H’ay brachte die Puppe wieder an den Platz, an dem sie sie gefunden hatte, und kehrte schweigend ins Freie zurück.
    Auch die nächste Energiequelle steckte in einem quaderförmigen Gebäude, und auch hier gab es keinen Zugang. Ronald Tekener war mit seiner Geduld am Ende. Er zog die Waffe - und zögerte dann doch. „Sind sie vielleicht da drinnen?" fragte er. „Spürst du etwas?"
    Dao-Lin-H’ay verzog das Gesicht. „Schwer zu sagen", murmelte sie. „Meine Fähigkeiten sind nicht sehr ausgeprägt. Sie kommen und gehen, wie sie wollen. Im Augenblick empfange ich so gut wie ..."
    Sie unterbrach sich. „Warte hier", flüsterte sie. „Ich bringe ihn dir heraus."
    Tekener widerstand der Versuchung, ihr zu folgen. Sie war schneller als jeder Mensch, flinker und wendiger, und außerdem wußte sie offenbar, wo sie zu suchen hatte.
    Es dauerte etwa eine Minute. Dann kehrte sie zurück. Sie hielt einen Blue im Genick und schob ihn vor sich her. „Da haben wir ihn, unseren Schatten", sagte sie grimmig.
    Als der Blue den Terraner erblickte, wollte er sich zur Flucht wenden. Dao-Lin-H’ay hielt ihn fest. Als er merkte, daß es kein Entkommen gab, schlug er wütend um sich, aber es war gar nicht so einfach, sich mit bloßen Händen gegen eine Kartanin zur Wehr zu setzen, noch dazu dann, wenn diese Kartanin in einem SERUN steckte. „Wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen er hier lebt, scheint er mir noch ganz schön kräftig zu sein", bemerkte Dao-Lin-H’ay mit leisem Spott. „Das ist kein richtiger Blue", stellte Tekener fest. „Es ist ein Klon. Sicher wieder so eine Spezialzüchtung der Cantaro. Aber diese Sorte hier kenne ich noch nicht."
    Der Blue hörte das Wort Cantaro und verdoppelte seine Anstrengungen. Dao-Lin-H’ay hielt dagegen. Sie hob das Wesen ein wenig in die Höhe.
    Als der Blue den Boden unter den Füßen verlor, wurde er plötzlich schlaff: Er ließ Kopf und Gliedmaßen baumeln und bekam dadurch eine fatale Ähnlichkeit mit der armseligen Stoffpuppe, die Dao-Lin-H’ay in den Ruinen gefunden hatte. „Keine Angst - es geht ihm ausgezeichnet", bemerkte die Kartanin gelassen und setzte ihren Gefangenen auf den Boden zurück.
    Der Blue bestand darauf, sich auch weiterhin totzustellen: Er sackte in sich zusammen, als hätte er Pudding in den Beinen.
    Dao-Lin-H’ay betrachtete ihn aufmerksam. „Du hast recht", stellte sie fest. „Einer wie der ist mir auch noch nicht begegnet."
    Blues waren normalerweise ausgesprochen grazile Wesen - schlank, schmal und dünnknochig, fast zerbrechlich aussehend. Der, den die Kartanin aus den Ruinen geholt hatte, wirkte dagegen plump, wie aufgeschwemmt. Er war nur knapp eineinhalb Meter groß und fast unbekleidet. Die seidenweiche, hellblaue Körperbehaarung war länger und stärker als bei normalen Blues.
    Die Kartanin ging in die Hocke und berührte vorsichtig die Schulter des Fremden. „Ich weiß, daß du bei Bewußtsein bist", sagte sie sanft. „Du kannst also mit diesem Unsinn aufhören."
    Der Blue tat, als sei er stocktaub. „Wir haben nicht die Absicht, dir und deinen Leuten etwas zu tun", fuhr Dao-Lin-H’ay fort. „Wir sind selbst auf der Flucht. Unser Raumschiff ist nicht viel mehr als ein Wrack."
    Der Blue reagierte immer noch nicht. „So wirst du bei dem nichts erreichen", sagte Ronald Tekener.
    Er beugte sich zu dem Blue hinab. „Paß auf, mein Freund", sagte er leise und drohend. „Du wirst jetzt aufstehen und mit uns reden.
    Verstanden?"
    Der Blue stand so schnell auf den Beinen, daß er fast mit dem Terraner zusammengestoßen wäre.
    Tekener zuckte unwillkürlich zurück.
    Der Blue wandte sich zur Flucht, aber ehe er es sich versah, hatte Dao-Lin-H’ay ihn schon wieder am Wickel. „Hiergeblieben!" sagte sie. „Wer bist du, und was tust du hier?"
    „Ich heiße Siliyit", erwiderte der Blue hastig. „Ich werde euch alles sagen, was ihr wissen wollt.
    Nur tut mir bitte nicht weh!"
    Dabei fixierte er Ronald Tekener mit seinem vorderen Augenpaar, während er die Kartanin mit den beiden hinteren Augen beobachtete.

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