1540 - Das Drachenriff
voraus. Sie hielten sich an den Händen und sprangen über die Steine, die ihnen im Weg lagen.
Keiner drehte sich um. Auch Purdy beeilte sich und war froh darüber, einen Hosenanzug zu tragen. Das Seeungeheuer würde kein Pardon kennen und sie mit Haut und Haaren verschlingen, und darauf konnten sie liebend gern verzichten.
Der Turm war für sie die Rettung. Ob für immer, das konnte keiner von ihnen sagen. Das mächtige Kreuz hatten sie bereits passiert. Was hinter ihnen geschah, davon sahen und hörten sie nichts. Das Meer spielte seine Melodie weiter, und Purdy atmete zum ersten Mal auf, als sie sah, dass Gudrun und Tore den Eingang in den Turm erreicht hatten. Sie stolperten darauf zu, und Tore zerrte die Tür auf.
Er ließ zuerst Gudrun hineinlaufen. Dann folgte er, und den Schluss machte Purdy Prentiss. Sie hatte die Nerven, sich noch mal umzudrehen.
Sie schaute an dem mächtigen Kreuz vorbei, sah das tosende Wasser, über dem sich plötzlich eine Art Nebel auszubreiten begann. Die Gischt war noch mehr in die Höhe geschleudert worden, und aus ihr hervor schob sich der lange Hals der Seeschlage oder des Wasserdrachens.
Er hatte die Insel erreicht, und er würde nicht mehr im Meer bleiben, nachdem er die Beute gesehen hatte, Purdy schlug die Tür hinter sich zu. Im nächsten Moment hatte sie den Eindruck, in die Dunkelheit zu stürzen, weil kein Licht mehr vorhanden war. Sie schaute nach vorn, hörte das heftige Atmen der beiden anderen Flüchtlinge und konnte nur sagen: »Das Monstrum ist auf der Insel…«
***
»Auch ein Geisterjäger ist mal ratlos«, stellte Tanner fest, aber dabei war kein Sarkasmus in seiner Stimme zu hören.
Ich konnte nichts darauf sagen. Es stimmte. Er hatte mit seiner Bemerkung den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich stand da und schaute ins Leere.
»Was machen wir nun, John?«
»Keine Ahnung. Der Spiegel hat mich geschafft.« Ich strich erneut mit der Handfläche über ihn hinweg. Eine Veränderung war nicht zu fühlen, die Fläche blieb, wie sie war, und ich dachte daran, dass die verschwundene Purdy Prentiss und mich Welten trennten.
Wo mochte sie stecken?
Da rasten mir zahlreiche Vermutungen durch den Kopf. Der Kontinent Atlantis fiel mir ein, zu dem sie eine besondere Beziehung hatte.
Beweise hatte ich nicht, und so schaute ich weiterhin ins Leere.
Tanner telefonierte mit seiner Dienststelle. Was er sagte, bekam ich nicht mit, weil ich einfach zu abgelenkt war.
Ich ärgerte mich. Bisher war ich mit den magischen Spiegeln gut zurechtgekommen. Sie hatten mir immer die Plattform geboten, in andere Dimensionen einzutauchen. In diesem Fall nicht. Da hatte sich der Spiegel gesperrt.
Warum bei mir und warum nicht bei Purdy Prentiss?
Diese Frage sprach ich halblaut aus und wurde auch von Tanner gehört, der nicht mehr telefonierte. Er hatte sich auf einen der antiken Stühle gesetzt und schaute mich an.
»Er will dich nicht, John.«
»So sieht es aus. Und warum will er mich nicht?«
»Keine Ahnung.« Tanner grinste. »Du bist ihm eben einfach nicht sympathisch.«
»Nun ja, so kann man es auch sagen.«
»Habe ich recht?«
»Ich weiß es nicht.«
Nach dieser Antwort ging ich unruhig im Zimmer hin und her. Den Spiegel ließ ich dabei nicht aus den Augen. Ich wartete förmlich darauf, dass er sich veränderte, doch da blieb der Wunsch der Vater des Gedankens. Er war durch mich nicht zu beeinflussen, und auch eine weitere Berührung brachte nichts ein.
»Was tun wir, John?«
»Frag mich nicht.«
»Doch, mein Junge. Wir können hier nicht herumstehen und darauf warten, dass ein Wunder geschieht. Das ist nicht drin, verstehst du? Da müssen wir schon selbst was unternehmen.«
»Genau.«
Er streckte mir seine Hand entgegen. »Das hat sich schon anders angehört.«
»Dann hilf mir mal.«
»Wobei?«
»Den Spiegel von der Wand zu nehmen«, antwortete ich. »Ich kann mir vorstellen, dass er ziemlich schwer ist, und ich will ihn nicht fallen lassen.«
»Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn das verfluchte Ding zum Teufel ginge.«
»Ach - und was ist mit Purdy Prentiss?«
»Vergiss es, John.« Der Chiefinspektor kam auf mich zu.
Ob es etwas brachte, wenn wir den Spiegel von der Wand nahmen, wusste ich nicht. Es war mehr ein verzweifelter Versuch, irgendetwas zu erreichen oder nur etwas zu tun und nicht untätig herumzusitzen.
Wir fassten von zwei Seiten an und hoben ihn leicht hoch. Er löste sich an der Rückseite von einem Haken, und erst jetzt merkten wir, wie
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