1540 - Ein Freund der Linguiden
vielleicht 500 Seelen des Dorfes gingen dabei auseinander, was die Glaubwürdigkeit des Pärchens betraf.
Inozemm und seine Gefährtin Jelita blieben gelassen. Die weibliche Halbintelligente hatte sowieso nicht viel zu den Erzählungen ihres Freundes beitragen können. Selbst die Erinnerung an den großen Stein, der vom Himmel gefallen war, war bei ihr verschwommen.
Das Dorf bestand aus einer großen Zahl von Hütten, die in einer Höhe von zehn bis zwanzig Metern in die Äste der Bäume gebaut worden waren. Die Unterkünfte selbst bestanden fast nur aus Laub und Ästen.
Und die Verbindungswege dazwischen waren Hängebrücken und Kletterseile aus bastähnlichen Materialien.
In der Mitte des Baumdorfs wohnte der Stammesälteste, der Medizinmann und weitere sieben Alte. Diese neun Sonnenanbeter regelten nahezu alles. Das betraf insbesondere die zu erledigenden Arbeiten auf den Feldern, das Sammeln von Vorräten oder den Rhythmus der Gebete an Ferduur.
Vor der Hütte des Dorfältesten erstreckte sich eine Fläche aus Bastmatten, auf der etwa dreihundert Sonnenanbeter Platz fanden. Dieses Geflecht in einer Höhe von zwölf Metern über dem Waldboden war ein Meisterwerk. Der Teppich war an über fünfzig Stellen verankert. Ein Dutzend Bäume wuchs durch ihn hindurch. Auch hier war die Fläche mit den Bäumen verbunden worden.
Etwa zweihundert der Pelzwesen hatten sich hier schon versammelt. Und ständig wurden es mehr. Inozemm und Jelita hockten auf einem Ast etwas abseits der Versammelten, aber in der Nähe der Hütte des Stammesältesten.
Sie waren guter Dinge, denn die schweren Wunden waren gut und überraschend schnell verheilt.
Die weißen Blätter, die Zuganemm benutzt hatte, zeigten auch jetzt noch keine Spuren des Welkens. Das war erstaunlich.
Inozemm hatte sie mehrmals entfernt und die Wunden neu damit gewickelt.
Das durchsichtige Gefäß hatte ihm der Medizinmann abgenommen. Daß der dabei sehr mißtrauisch geblickt hatte, war dem männlichen Sonnenanbeter gar nicht aufgefallen. Die Flüssigkeit war vollständig verbraucht worden. Und Inozemm dachte, daß ein Ding Zuganemms besser vom Medizinmann aufbewahrt wurde als von ihm.
Als Ferduur am höchsten stand, trat der Stammesälteste aus seiner Hütte. Der Medizinmann und die sieben alten Berater folgten Tekumsemm. Ihre Facettenaugen erfaßten jede Kleinigkeit. Fast alle Bewohner des Baumdorfs hatten sich eingefunden. Nur die Mütter, die ihre Neugeborenen zu versorgen hatten, waren in ihren Hütten geblieben. Und natürlich die, die auf der Suche nach Nahrung waren.
Der Stammesälteste starrte auch kurz auf Inozemm und Jelita. Dann hob er die Hand. Das Geschnatter der Versammelten erstarb. „Beschlossen und verkündet", erklärte er. „Es gibt nur einen Gott, und das ist Ferduur, die Sonne. Niemand darf auch nur den Verdacht äußern, es gäbe einen oder gar mehrere andere Götter. Zuganemm kann nur aus Ferduur entstehen. Niemand darf ungestraft Zuganemm einem Gott zuordnen, der gar nicht existiert. Wir müssen dafür sorgen, daß solche Gedanken in unserem Dorf nicht existieren, denn sonst würde uns der gerechte Zorn Ferduurs treffen."
Inozemm ahnte jetzt, daß diese Geschichte nicht so glimpflich enden würde wie die mit dem riesigen Stein, der vom Himmel gefallen war. „Betet!" rief der Stammesälteste. „Vertreibt die Sünde aus unserem Dorf. Vertreibt sie mit euren Gebeten!"
Er gab dem Medizinmann ein Zeichen, und der schwenkte seinen bunten Stab. Alle Sonnenanbeter neigten sich nach vorn und sprachen die Worte nach, die der Medizinmann von sich gab.
Nach dieser Unterbrechung sprach Tekumsemm weiter: „Ferduur hat einen riesigen Stein zu uns geschickt. Daran gibt es keinen Zweifel, denn wir wissen von anderen Dörfern, daß man auch dort den Stein gesehen hat. Der Stein ist aber wieder verschwunden."
Der Stammesälteste erntete Beifall von seinen Zuhörern, die kräftig mit den Zähnen schnatterten. „Ferduur hat auch die Versuchung geschickt", fuhr der alte Sonnenanbeter fort. „In der Gestalt Zuganemms.
Der hat bewußt die Unwahrheit über seine Herkunft gesagt, um festzustellen, wer diese Lügen glaubt. Inozemm hat sie geglaubt. Er hat die frevelhafte Behauptung in unser Dorf getragen. Zuganemm wäre nicht von Ferduur geschickt worden."
Die versammelte Masse folgte blind diesen Worten und begann, üble Beschimpfungen gegen Inozemm und Jelita auszustoßen. „Wir Alten haben lange überlegt, was wir tun sollen. Tod oder
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