1547 - Adel vernichtet
nur um ihr Herz und sieh bitte zu, dass sie nicht zu große Schmerzen erleidet. Das möchte unser lieber Eric nicht.«
»Ich werde mich bemühen.«
»Dann bin ich glücklich.« Noch schwebte die rechte Hand mit dem Mordmesser über der Tischplatte. Das änderte sich, als der Butler eine halbe Drehung nach rechts vollführte und die Waffe dabei senkte. Jetzt zielte sie auf das Opfer! Und erst in diesem Augenblick wurde der Gefangenen richtig bewusst, was ihr bevorstand.
Es war an ihrem Gesicht abzulesen. Ihre Züge veränderten sich. Der Ausdruck einer namenlosen Angst breitete sich in ihrem Antlitz aus. Sie wirkte nicht mehr wie eine lebende Person, da sie sich nicht bewegte, und sie schien dem Tod näher zu sein als dem Leben. In ihren Augen entstand ein neuer Blick, der eine Mischung aus Todesangst, Unglauben und Wahnsinn beinhaltete.
Sie konnte auch nicht mehr sprechen. Nicht mehr um ihr Leben betteln.
In ihrer Kehle steckte ein unsichtbarer Pfropfen, der ihre Stimme zurückhielt.
Die tödliche Gefahr und damit ihr Ende war so nahe, aber das zu fassen war ihr nicht möglich.
Der Butler war nicht mehr weit von ihr entfernt. Er musste nur noch einen Schritt vorwärts gehen, um sie zu erreichen.
Das tat er.
Dinah schaute noch vorn. Sie sah die Klinge und vor allen Dingen deren Spitze, der ihre Haut und das darunter liegende Fleisch keinen Widerstand entgegensetzen würde.
Plötzlich schaffte sie eine Reaktion. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie damit andeuten, dass dies hier alles nicht wahr sein konnte. Leider war es so, das deutete der Butler durch ein Nicken an.
Die Drei am Tisch bewegten sich nicht. Sie ließen sich von dem faszinieren, was sie sahen.
Und der Butler tat seine Pflicht. Er senkte die Waffe, damit er sie auf den Zielpunkt ausrichten konnte.
Dieser befand sich dicht unter Dinahs linker Brust. Und genau dort schlug das Herz der Frau.
Und wie es schlug!
Dinah spürte es überdeutlich. Jeder Schlag war für sie wie mit einem Hammer geführt. Sie spürte das Echo in ihrem Kopf, in den das Blut gestiegen war. Ihr war heiß geworden, aber auf eine gewisse Weise auch kalt, und so erlebte sie ein Wechselbad der Gefühle.
Das Messer hatte noch nicht die genaue Position gefunden. Es musste noch um eine Idee korrigiert werden, was Clarence auch tat, und dann die Spitze nach vorn schob.
Es war die erste Berührung mit der Haut. Nicht sehr schlimm, fast streichelnd.
Dinah zuckte trotz ihres starren Zustands zusammen. Denn sie wusste, dass der Butler nur ein wenig Druck geben musste, dann würde die Klinge in ihren Körper dringen.
Es kam der Moment, an dem sie nichts mehr dachte. Sie war innerlich leer, und sie fühlte sich fast wie ein Mensch, der neben sich stand.
Warum stach er nicht zu?
Den Grund erfuhr sie in der folgenden Sekunde, als der Marquis erneut das Wort ergriff.
»Wir haben lange genug gewartet, Clarence! Stich endlich zu und schneide ihr das Herz aus dem Körper!«
Auf diesen Befehl hatte der Mann gewartet. Er deutete ein Nicken an, seine Gestalt straffte sich noch mal, und in der Gefangenen peitschte die Todesangst wie eine Welle hoch.
Da passierte es!
Das schrille Geräusch riss die Personen aus ihrer Starre.
Es war die Türglocke, und Dinah spürte einen ziehenden Schmerz in Herzhöhe, als die Spitze der Klinge sie leicht ritzte.
Ansonsten fror die Szene ein!
***
Nichts ging mehr in den folgenden Sekunden. Die Wirklichkeit hatte ein anderes Gesicht bekommen. Die Halbtoten und auch der Butler fühlten sich gestört und waren zugleich irritiert, sodass sie wie eingefroren wirkten.
Der Marquis bewegte sich als Erster. Mit einer schnellen Bewegung erhob er sich aus seinem Stuhl und blieb vor dem Tisch stehen. Er war verunsichert, was man ihm auch anmerkte, denn er konnte seinen Kopf nicht mehr ruhig halten.
»Sir, ich…«
De Geaubel ließ seinen Butler nicht ausreden. »Hören Sie auf, Clarence.«
»Soll ich trotzdem…?« Da klingelte es zum zweiten Mal.
»Verdammt, wer ist das?«, schrie Uta de Geaubel. Die Stimme drang überlaut aus ihrem Skelettmaul.
»Besuch!«
»Und?«
Der Marquis beugte sich zu seiner Frau hin. »Ich weiß nicht, wer etwas von uns will, aber ich glaube, dass er nicht aufgeben wird. Wir müssen etwas tun.«
»Was denn?«, kreischte die Marquise.
De Geaubel hatte bereits einen Entschluss gefasst. Er wandte sich wieder an seinen Butler.
»Du, Clarence, wirst hingehen und die Tür öffnen. Sieh mal nach, wer da etwas von uns
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