1549 - Der steinerne Engel
rechten Jackentasche. Ich ließ meine Hand hineingleiten und war froh, die Wärme zu spüren, die das edle Metall abstrahlte. Es gab mir ein Gefühl der Sicherheit.
Aber wie stark war ich wirklich? Würde es reichen?
Ich musste auf mein Kreuz vertrauen, wie ich es schon all die Jahre getan hatte. Und ich stellte mir natürlich die Frage, ob der Todesengel über meine ultimative Waffe informiert war oder etwas spürte.
Es konnte sein. Er war dem absolut Bösen geweiht. Er musste wissen, was ich bei mir trug, aber er gab mir durch nichts zu verstehen, dass er damit rechnete.
Erneut hörte ich seine Stimme. Und wieder klang sie so anders. So technisch und verzerrt.
»Wie kann es ein Mensch wagen, sich mir zu stellen? Wie ist das möglich? Wie arrogant muss jemand sein, der so etwas tut?«
»Du kannst es ja mal versuchen, mich anzugreifen.«
Dann hörte ich sein Lachen.
»Rechnest du mit Raniel? Wenn ja, dann hast du dich verrechnet. Er wird es nicht schaffen. Er kann es nicht schaffen. Er hat sich auf meine Spur gesetzt. Ich weiß nicht, wie lange er mich schon jagt, aber es ist vergebens. Nichts hat es ihm gebracht, gar nichts. Ich bin für ihn unbesiegbar. Und jetzt, da er das eingesehen hat, holt er jemanden wie dich her. Ich weiß es genau. Du kannst mich nicht stoppen. Ich werde mir den Jungen holen, das verspreche ich dir.«
»Dann musst du mich besiegen!«
Er lachte nur.
Ich sah die Zeit als gekommen an, ihm endlich zu zeigen, dass ich nicht irgendwer war.
Deshalb umfasste ich mein Kreuz mit den Fingern und holte es aus der Tasche hervor.
Dann streckte ich den Arm aus.
Das Kreuz schaute zum großen Teil aus der Faust hervor. Der Todesengel sah es, und aus seinem Mund drang ein irrer Schrei…
***
War das sein Signal zum Angriff?
Ich stellte mich darauf ein, doch es kam anders. Der Todesengel flog nicht auf mich zu, obwohl er seine Flügel bewegt hatte. Er schwang sie von unten nach oben und sammelte auf diese Weise Kraft, um in die Höhe zu steigen.
Plötzlich war er weg!
Die Nacht war sein Beschützer, und ich hatte das Nachsehen.
Ich wollte nicht daran glauben, dass ich einen Sieg errungen hatte, trotz des Kreuzes in meiner Hand, von dem eine Wärme ausstrahlte, die mich eigentlich hätte beruhigen müssen.
Sie tat es nicht.
Ich drehte mich um und behielt das Kreuz dabei in der Hand. Ich sah die kleinen Lichtblitze, die über das Metall huschten, und mir war klar, dass sich der Todesengel noch in der Nähe befand.
Aber wo?
Luc Domains Stimme erreichte mich. Er war nicht ins Haus gegangen und hielt sich vor der Tür auf. Es war eine Mischung aus Flüstern und Krächzen.
»Du hast es geschafft! Er ist weg! Mein Gott, der Todesengel ist vor dir geflohen!«
»Nur für den Augenblick, mein Freund. Er wird zurückkehren.«
»Und du?«
»Ich warte hier auf ihn. Geh ins Haus. Versteck dich mit den anderen. Er ist jetzt unberechenbar.«
»Nein, ich muss es sehen. Und ich will wissen, was es mit dem Kreuz auf sich hat. Ich sehe es zum ersten Mal. Godwin hat mir davon berichtet.«
Ich wollte mich nicht ablenken lassen, deshalb hielt ich mich mit einer Antwort zurück.
Wo steckte der Todesengel?
Die Nacht war sein Schutz und sein Versteck. Nie würde er sie verlassen, wenn er nicht eine Chance sah, den Kampf zu gewinnen. Ich wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte. Er hatte alle Vorteile auf seiner Seite. Er konnte sich verbergen und urplötzlich brutal zuschlagen, wobei nicht nur ich der Feind war.
Luc Domain hatte sich von der Hauswand gelöst. Geduckt ging er auf die Straße zu. Dabei bewegte er den Kopf suchend von einer Seite zur anderen.
Meine Warnung erreichte ihn deshalb nicht, weil sie zu spät kam.
Da war der Todesengel bereits unterwegs. Wo er gesteckt hatte, wusste ich nicht, aber er war wahnsinnig schnell. Urplötzlich war er da. Ich kam nicht mehr dazu, etwas zu unternehmen, und Luc Domain erst recht nicht.
Er hielt noch an. Er riss den Kopf in die Höhe. Er öffnete den Mund, doch der Schrei blieb in seiner Kehle stecken, denn da hatte der Todesengel bereits zugegriffen.
Mit einer Hand packte er ihn im Flug und riss ihn in die Höhe. Erst jetzt schrie der Mönch auf, und es war ein schrecklicher Schrei, der durch den stillen Ort gellte.
Ich wollte ihm etwas nachbrüllen, aber da war der Todesengel schon wieder verschwunden. Lachend flog er mit seiner Beute in die Höhe und in die Dunkelheit.
Luc Domain sah ich nicht mehr.
Godwin de Salier war gerettet worden. Ob mit
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