155 - Kriminalfall Kaprun
Entwicklung einer aufwändigen Standseiltechnik, und dann bauen Techniker in unmittelbarer Nähe von Hydraulikleitungen Heizlüfter mit Glühdrähten ein. Wenn sie diese Heizquelle schon installieren mussten, warum dann gerade direkt vor den Ölleitungen? Warum erfolgte die Montage nicht in der gegenüberliegenden Zwischenwand des Führerstandes, wo genug Platz gewesen wäre, und vor allem keine Hydraulikölleitungen verlaufen? Warum wurde ausgerechnet ein absolut ungeeigneter Haushaltslüfter mit einem Kunststoffgehäuse ausgesucht, obwohl es Metallheizlüfter für den mobilen Gebrauch gibt, die in Bussen, Zügen und U-Bahnen eingesetzt werden? Auch stellte sich bereits zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob das verwendete Öl für den Gebrauch in der Zuggarnitur geeignet war, und nicht eine zusätzliche Brandgefahr darstellte oder diese sogar erhöhte.
Das mehrfache Lesen des Muhr-Gutachtens macht Staatsanwältin Danninger-Soriat immer nachdenklicher. Wie kann so eine Schlamperei in Österreich passieren? Warum kontrollieren die vielen Beamten, Aufsichtsorgane und Prüfer eine Fritteuse in einem Würstelstandscheinbar genauer, als eine Standseilbahn, die jeden Tag Tausende von Wintersportlern befördert? Wer hat das genehmigt? Wer hat zugelassen, dass die Fahrer der Gletscherbahn sich aus Holz und Dämmwolle eine wilde Eigenkonstruktion bauten, die nie genehmigt wurde? Undenkbar, dass ein Lok- oder Straßenbahnführer sich in den Fahrstand irgendwelche Eigenkonstruktionen bauen könnte. Woher kam überhaupt die Zugluft? Wenn professionell gebaute Führerstände geschlossen und dicht wären, bräuchte sich niemand mit Bretterprovisorien zu behelfen.
Niemand dachte daran, dass diese so fortschrittlich wirkende Seilbahn als Zeitbombe täglich Personen beförderte. Niemand ahnte, dass sich hinter dem neuen Kunststoffgehäuse eine unprofessionelle Bastelarbeit befand und dass der vermeintlich aerodynamische Führerstand nicht einmal Zugluft abweisen konnte.
Nach drei Wochen kommt der nächste Ärger für Untersuchungsrichterin und Staatsanwältin. Die Kriminaltechnische Zentralstelle legt nun endlich ihren offiziellen Abschlussbericht über die Brandkatastrophe von Kaprun vor. Danninger-Soriat vermutet, dass die KTZ -Ermittler das Einlangen des Muhr-Gutachtens abgewartet haben, um erst nach dessen Kenntnis ihren Bericht fertigzustellen.
Als sie ihre Kopie bekommt, traut sie ihren Augen nicht. Sie hält gerade einmal fünf Seiten in der Hand. Die österreichische Elite der Brandermittler, die hochgelobten Experten aus dem Innenministerium, die absoluten Profis, haben lediglich fünf Seiten über die Ursache der größten Katastrophe der Republik Österreich zusammengebracht. Das erscheint ihr viel zu wenig. Die Beamten waren die Ersten im Tunnel, denkt sie, sie haben mobile Beweismittel übernommen und Originale nach Wien überführt, sie haben Hunderte von Fotos gemacht, Laboruntersuchungen vorgenommen. Jetzt übergeben sie ihr einen Untersuchungsbericht von fünf Seiten.
So wütend hat die Staatsanwaltschaft die stets beherrscht agierende Danninger-Soriat noch nie erlebt. Sie fühlt sich hintergangen, und sie fragt sich, was hier womöglich hinter dem Rückender Untersuchungsrichterin und der Staatsanwaltschaft stattfindet. Die KTZ -Beamten sehen das anders. Sie verstehen das Verhalten der Gutachter, der Staatsanwältin und der Untersuchungsrichterin nicht. In ihrem Bericht beklagen deren mangelnde Kooperationsbereitschaft. »Ein vollständiger Bericht sowie die Klärung der Brandursache scheitert an den von Seiten des Gerichtes beziehungsweise von den gerichtlich bestellten Herrn Sachverständigen vorenthaltenen Dokumentationen, untersagten Untersuchungen und Behinderungen bei den Ermittlungen.«
Im Bericht listet die KTZ dann fünf »für das Brandgeschehen kausale Zündquellenmöglichkeiten« auf, schließt vier davon nahezu aus und hält die »Einbausituation des Heizlüfters« für die wahrscheinlichste Brandursache. Damit bestätigen die KTZ -Ermittler doch noch das Gutachten von Anton Muhr, der zu dem gleichen Befund kommt. Eines fehlt jedoch. Im Abschlussbericht der KTZ ist nichts davon zu lesen, dass der Heizlüfter auf das brennbare Hydrauliköl hin untersucht wurde.
Als Ergebnis der Vorerhebungen steht nun die Ursache für den Brand in der Gletscherbahn fest, und so lädt der Präsident des Landesgerichts am 6. September 2001 in den Veranstaltungssaal der Tageszeitung Salzburger Nachrichten . Gemeinsam mit
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