155 - Kriminalfall Kaprun
dem Leitenden Staatsanwalt und dem Polizeimajor Franz Lang stellt er das Ergebnis der Gutachten zur Brandursache in Kaprun der Öffentlichkeit vor. Staatsanwältin Danninger-Soriat sitzt unter den Zuhörern.
Die eindeutige Feststellung und Schuldzuweisung dürfte die Verantwortlichen der Gletscherbahnen Kaprun AG, des Zugherstellers Swoboda und die Hydraulikmonteure überraschen. Sofort erfolgt ein vehementer Protest ihrer Anwälte, die sich vor allem auf das Gutachten von Anton Muhr einschießen. Damit ist der Kampf um die Deutungshoheit der Brandentstehung im talseitigen Führerstand der »Kitzsteingams« in Kaprun eröffnet.
Die Untersuchungsrichterin hat inzwischen ihre Ermittlungen auch offiziell abgeschlossen und schickt ihre Untersuchungsarbeitan die Salzburger Staatsanwaltschaft. Vorher hatte sie die Hinterbliebenen der Katastrophe nach Linz in die Vabio-Halle eingeladen, um an dem dort aufgestellten baugleichen Gegenzug die Entstehung des Brandes zu erläutern.
Viele Angehörige konnten oder wollten nicht kommen und sich mit den grausigen Einzelheiten befassen. Doch 100 Hinterbliebene sahen hierin einen Teil ihrer Trauerarbeit und waren erschienen, einige hatten sogar eine weite Anreise zurückgelegt. Erschüttert erfahren sie, wie sich der Brand entwickelte, der sich über das Hydrauliksystem rasend schnell ausweitete und dessen toxische Gase ihre Familienmitglieder töteten, bevor sie verbrannten. Es war ein sehr beschwerlicher Ortstermin, der alle Beteiligten enorm forderte und sie unerbittlich mit der Realität konfrontierte.
Auch Danninger-Soriat ist bewegt von dem Treffen mit den Hinterbliebenen. Am Heimweg nach Salzburg nimmt sie sich vor, die Anklage so schnell wie nur möglich fertigzustellen. Zu oft hat sie erlebt, wie solche Verfahren endlos in die Länge gezogen werden oder im Sand verlaufen. Aber diesmal soll das nicht geschehen.
Am nächsten Tag sagt sie alle ihre Privattermine der kommenden Wochen ab und rüstet ihr Büro zum Archiv und Aktenlager um. Mit Elan stürzt sie sich in die Arbeit. Abende und Wochenenden schottet sie sich von der Außenwelt ab, verbringt die Zeit allein im Büro. Überall ausgebreitet liegen Aussagen, Protokolle, technische Berichte und die Gutachten. Langsam bilden sich die Anklageschwerpunkte heraus, und 16 Papierstapel bleiben übrig. Der Strafantrag ist Anfang Dezember 2001 fertiggestellt. Unterstützt wird die Staatsanwältin dabei durch den unermüdlichen Einsatz der Schreibabteilung, die diskret und engagiert das viele Bänder umfassende Diktat in kürzester Zeit transkribiert.
Als Eva Danninger-Soriat ihrem Chef den Strafantrag übergibt, ist er beeindruckt von ihrem Tempo. Gemeinsam gehen beide Beweis für Beweis durch, denken sich in die mögliche Taktik der Verteidiger hinein und klopfen jeden Anklagepunkt einzeln gründlichab. Es gibt nichts zu beanstanden, der Vorgesetzte dankt seiner Staatsanwältin für ihren fleißigen Einsatz. Sogleich erhält die Oberstaatsanwaltschaft Linz den 119-seitigen Strafantrag mit dem Aktenzeichen »5 St 213/01i« samt umfangreicher Begründung, die sie dem Justizministerium in Wien noch im Dezember 2001 zur Genehmigung vorlegt.
Am 23. Jänner 2002 übergibt die Staatsanwaltschaft die Anklage dem Landesgericht Salzburg. Für Einwände und Verfahrenstricks ist es jetzt zu spät. Dafür laufen nun hinter den Kulissen die Telefone heiß. Wien und Linz sind überrascht, niemand hatte so schnell mit einer umfassenden Klageschrift gerechnet, und jene, die ein Verzögerungsgefecht geplant hatten, haben verloren, bevor es überhaupt begonnen hat. Diesmal war der Rechtsstaat schneller.
Staatsanwältin Danninger-Soriat klagt 16 Personen an, 14 davon wegen Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst, die mit fünf Jahren Haft bestraft wird. Darunter sind drei leitende Mitarbeiter der Gletscherbahnen Kaprun AG, weil sie es unterlassen haben, für eine sichere Bauweise des Zuges zu sorgen und mangelhaft ausgeführte Zuggarnituren ohne brandschutztechnische Vorbeugemaßnahmen in Betrieb genommen haben. Dabei wirft der Strafantrag den Verantwortlichen der Gletscherbahn besonders vor, keine entsprechende Wartung und Reinigung des Heizkörpers im Katastrophenzug durchgeführt und keine brandschutzsichere Trennung zu den Hydraulikleitungen eingebaut zu haben.
Darüber hinaus klagt die Staatsanwältin fünf Techniker der Firmen Swoboda und Mannesmann-Rexroth an. Sie waren demnach für den Einbau eines nicht
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