1550 - Die Frau aus der Knochengrube
Farinas.
Der Mann ließ das Klemmbrett sinken.
»Was wollen Sie denn dort?« Seine Neugierde wollte ich nicht befriedigen.
»Das ist privat.«
»Es geht um den Jungen, wie?«
»Kann sein.«
Es vergingen noch einige Sekunden, bevor ich meine Antwort erhielt. Ich erfuhr, dass wir weiterfahren mussten. Die dritte Gasse links war es. Dort stand das Haus der Farinas.
»Nummer dreizehn. Fast ein Omen.«
»Danke. Und die Eltern sind da?«
»Kann sein.«
Ich nickte und saß wenig später wieder neben Suko.
Der Mann auf der Rampe schaute uns nach, bis wir die Straße erreichten.
Ich hatte Suko gesagt, wo wir abbiegen mussten.
»Hat der Typ sonst noch was erzählt?«
»Nein. Aber die Neugierde sprang ihm schon aus den Augen.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Die Straße war mehr ein Weg. Zuerst fuhren wir über altes Kopf Steinpflaster. Dann bestand der Weg nur noch aus Sand.
Mehrere Häuser reihten sich zu beiden Seiten der Straße. Zwischen ihnen gab es große Lücken. Hier hatte jeder Platz, wenn er bauen wollte, und Gärten gehörten auch dazu. Einige waren umzäunt.
Weiterhin begleitete uns die Stille. Wir hatten hellen Tag, dennoch sahen wir keine Menschen vor den Türen.
Wir fanden das Haus mit der Nummer dreizehn sofort. Die Zahl war mit weißer Farbe auf eine graue Fassade neben der Tür gemalt worden.
Auch hier bewegte sich nichts.
Suko bremste. Der Rover kam zum Stillstand.
Wir stiegen aus.
Es waren nur ein paar Schritte bis zur Haustür. Ein Plattenweg nahm uns auf, und noch bevor wir klingeln konnten, zog schon jemand die Haustür auf.
Der Mann überraschte uns beide, denn der Kleidung nach handelte es sich um einen Pfarrer.
Ein schon älterer Mann mit einem weißen Haarkranz und einem runden Gesicht, in dem die dicke Brille auffiel.
»Sie wünschen?«
Ich lächelte und fragte: »Sie sind nicht Mr Farina?«
»Richtig. Ich bin der Pfarrer. Michele Farina befindet sich im Haus. Was wollen Sie denn von ihm?«
»Das würden wir ihm gern selbst sagen.«
Ich zeigte dem Geistlichen meinen Ausweis.
Der Mann bekam große Augen. Er wunderte sich offenbar, was Scotland Yard hier zu suchen hatte.
»Es geht wohl um den Tod des Jungen - oder?«
»Ja.«
»Bitte, dann kommen Sie herein.«
»Was ist denn los?«, rief eine Stimme aus dem Innern.
Der Pfarrer gab lautstark Antwort: »Zwei Herren von Scotland Yard, Michele!«
»Wirklich?«
Ich hatte mich schon umgesehen. Es war ein kleines Haus und dementsprechend eng. Das betraf den Flur und würde sich auch in den Zimmern fortsetzen.
Die Stimme war von links gekommen. Dort sah ich eine hellgrün gestrichene Tür, die ich aufstieß. Verwundert blieb ich stehen, als ich die Holztreppe sah. Sie bildete praktisch den Mittelpunkt dieses Raumes mit niedriger Decke.
Wir sahen Michele Farina. Der Mann saß auf einer schmalen Couch, die mit dunkelrotem Stoff bezogen war.
Überall stand Nippes herum. Von kleinen Engelfiguren bis zu Heiligenbildern an den Wänden. Das sah alles sehr nach Flohmarkt aus.
Michele Farina rauchte. Vor ihm stand ein Aschenbecher, der bis zum Rand mit Kippen gefüllt war. Er trank auch, aber nur Wasser. Sein Alter lag um die vierzig Jahre. Dichtes dunkles Haar wuchs auf seinem Kopf.
Er hatte ein schmales Gesicht, in dem die Wangenknochen vorstanden.
Und ich sah die verquollenen Augen. Ein Zeichen, dass er geweint hatte.
Von seiner Frau war nichts zu sehen.
Als hätte der Pfarrer meine Gedanken erraten, sagten er: »Mrs Farina liegt in der Klinik. Sie hat einen Schock erlitten, als sie vom Tod ihres einzigen Sohnes gehört hat.«
»Verstehe.«
Michele Farina drückte seine Kippe aus und schaute uns in die Gesichter. »Was kann ich für Sie tun? Machen Sie es bitte kurz. Es ist nicht leicht, sein einziges Kind zu verlieren.«
Wir sprachen unser Beileid aus.
Der Mann deutete auf ein Sesselpaar und wir nahmen Platz.
Der Pfarrer schaute auf seine Uhr und sprach von einem Termin. Dann sage er: »Ich schaue später noch mal vorbei.«
»Danke.«
Der Mann ging, und wir blieben zu dritt zurück.
Dass Farina lachte, wunderte uns, aber es war ein hartes Lachen, das keinerlei Freude verriet.
»Wie kommt es«, fragte er danach, »dass sich Scotland Yard um den Tod meines Sohnes kümmert?«
Ich gab noch keine Antwort und stellte uns vor.
Farina nahm es zur Kenntnis. Dann sagte er: »Ich habe Urlaub genommen. Es ging einfach nicht mehr.«
»Was machen Sie beruflich?«, fragte Suko.
»Ich bin Ober in einem Restaurant.«
»Ah
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