1551 - Das Vampirhaus
das Haus. Innen kam es ihnen stickig und warm vor. Sie ließen das Feuer in den Öfen allmählich ausbrennen.
Eine gute Sicht hatten sie nicht. Wenn sie aus den Fenstern schauten, nahmen ihnen die Berge die Sicht. Die Vampire hatten alle Vorteile auf ihrer Seite.
Harry stand im Licht der Küche. Durch das Fenster schaute er auf die Straße, die leer gefegt war. Hinter sich hörte er die Stimme der Kollegin.
»Es gibt jetzt keinen Zweifel mehr daran, dass es sich bei den Wesen um Frauen gehandelt hat.«
»Ja.«
»Genau darüber mache ich mir Gedanken«, sagte Laura. »Und welche?«
»Wer waren sie? Wo kommen sie her?«
Harry drehte sich um. Sein Blick fiel in das starre Gesicht der Slowenin.
»Liegt die Antwort nicht auf der Hand?«, fragte er.
»Ja, das tut sie. Es müssen die Frauen sein, die mal als normale Menschen in dem Haus gelebt haben, um der Welt zu entfliehen. Liege ich damit richtig?«
Harry lächelte. »Du akzeptierst inzwischen Dinge, an die du vorher nicht geglaubt hast.«
»Das ist nach allem, was wir in den letzten Stunden erlebt haben, nicht verwunderlich.«
»Und deshalb suchst du auch nach Erklärungen.«
»Ich weiß nicht, Harry. Ich bin mir wirklich nicht sicher, das musst du mir glauben. Und sollte ich sie gefunden haben, weiß ich nicht, ob ich sie akzeptieren kann.« Sie deutete auf ihren Kopf. »Dazu fehlt mir einfach die Fantasie. Aber die Welt, wie ich sie bisher kannte, hat sich für mich verändert. Da bin ich ehrlich.«
Harry lächelte sie an. »Du bist nicht die Einzige, der es so gegangen ist. Das ist schon anderen Menschen vor dir passiert, und das wird es auch immer wieder geben.« Er deutete gegen die Deckenlampe. »Es wäre besser, wenn wir das Licht ausschalten und im Dunkeln warten. Es stört auch, wenn ich aus dem Fenster schauen will.«
»Stimmt.«
Sie knipste das Licht aus. »Schon besser.«
Harry wandte sich wieder dem Fenster zu, aber er sah nicht viel.
Eine leere Straße, die im Grau der Nacht verschwand, die grauen Fassaden der Häuser. Harry hatte den Eindruck, als würde sich die Umgebung allmählich auflösen.
»Kannst du was erkennen?«
»Nein, Laura, nichts, was uns interessieren könnte. Es bleibt alles leer und tot.«
»Das sollte uns freuen, Harry.«
»Ja, noch. Aber wie ich schon sagte, die Nacht ist noch lang, und ich bin überzeugt davon, dass etwas geschehen wird. Vampire brauchen Blut. Sie sind hungrig, und deshalb werden sie sich auf die Menschen hier stürzen. Oder siehst du eine andere Möglichkeit für sie, an Blut heranzukommen?«
Laura schüttelte den Kopf. »Nein, Harry, ich weiß nur, dass sie mit meinem Vater den Anfang gemacht haben.«
»Du sagst es, Laura. Es ist der Anfang gewesen. Bis zum Ende ist es noch weit.«
»Wann willst du losgehen?«
»Noch nicht. Ich denke, wir werden bald einen Gang durch den Ort machen und uns dann einen Punkt aussuchen, von dem aus die Sicht besser ist als von hier aus.«
»Das hört sich gut an.« Sie schaute wieder nach draußen und sagte dann mit leiser Stimme: »Ich denke auch daran, ob wir die Menschen hier im Unklaren lassen oder sie warnen sollen.«
»Das auf keinen Fall. Sie würden in Panik verfallen.« Harry schaute Laura fragend an. »Oder hast du sie bereits aufgeklärt, nachdem man deinen Vater getötet hat?«
»Nein, um Gottes willen. Sie wissen nicht, wie er gestorben ist. Allerdings gehe ich schon davon aus, dass sie sich Gedanken machen, aber sie würden nicht wagen, es mir gegenüber zuzugeben.«
»Das hört sich gut an. Mal eine andere Frage. Was wissen die Menschen hier über dich?«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ich meine, ob sie etwas über deinen Job wissen. Was du machst, wo du abgeblieben bist.«
»Nein, Harry, sie wissen nichts. Dafür habe ich schon gesorgt. Das wäre noch schöner. Sie würden sich ja die Mäuler zerreißen. Ihnen ist nur bekannt, dass ich im Ausland bei einer Behörde arbeite. Ich werde ihnen auch nie die Wahrheit sagen.«
»Das ist gut.«
Laura ging zum Kühlschrank. Es war noch ein klobiger Stromfresser aus alten Zeiten. Als sie ihn öffnete, flutete Licht über ihr Gesicht, und Harry sah, dass sie sehr angespannt aussah.
»Hast du auch Wasser?«
»Ja.«
Laura besorgte zwei Gläser und goss sie voll. Später tranken beide und hingen ihren Gedanken nach.
»Es ist so still im Ort«, murmelte die Frau. »Eine Ruhe vor dem Sturm, denke ich.«
Harry konnte nichts dazu sagen. Er nahm noch einen zweiten Schluck.
Genau da geschah es.
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