1553 - Der Feind aus dem Dunkeln
abzubringen.«
»Bitte, Sophie, es geht nicht anders. Manchmal muss man den geraden Weg einschlagen. Alles andere wird mich nicht zum Ziel führen.«
Sophie schaute ihrem Mann ins Gesicht. »Okay, wenn du das so sagst. Aber ich bin dabei.«
»Nein!«
»Doch!«
Es sah nach einer Eskalation zwischen den beiden aus. Sie standen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber. Sophies Gesicht war von einer tiefen Röte überzogen, und zwei Menschen, die sich kaum jemals gestritten hatten, schienen jetzt auf völlig verschiedenen Positionen zu stehen.
Es änderte sich alles, denn plötzlich klopfte es an der Tür.
Beide schraken zusammen.
Es geschah höchst selten, dass einer der Templerbrüder kam, um Godwin zu einer dermaßen ungewöhnlichen Zeit sprechen zu wollen.
Er konnte es nicht ignorieren. Beim zweiten Klopfen ging er zur Tür und öffnete.
Ein Templer stand vor ihm. Sein Gesicht war ziemlich blass. Godwin sah auch, dass er schluckte.
»Carlo, was ist?«
»Du musst kommen, Godwin.«
»Wohin?«
»Draußen vor die Tür. Dort liegt etwas.«
»Und was?«
Carlo hatte Mühe, eine Antwort zu geben. Er rang nach Luft, doch er schaffte es, wenn auch stotternd.
»Ein Kopf, Godwin, draußen liegt ein Kopf…«
***
Etwas Scharfes schien durch den Kopf des Templerführers zu schneiden. Er sah Carlo, aber er hatte den Eindruck, als ob seine Konturen verschwimmen würden.
Nur einige Augenblicke lang, dann ging es ihm wieder gut, und er sah den Bruder normal.
»Habe ich richtig gehört? Dort liegt ein Kopf?«
»Ja. Direkt vor der Tür.«
Aus dem Hintergrund hatte sich Sophie genähert.
»Und was ist das für ein Kopf?«, fragte sie.
»Ein Menschenkopf.«
Sie schluckte. »Einer von uns?«
»Nein, ein Fremder.«
»Ich komme«, sagte Godwin nur.
»Wir kommen«, berichtigte Sophie.
Bevor Godwin den Raum verließ, nahm er noch eine lichtstarke Taschenlampe mit.
Er flüsterte Sophie zu: »Er hat schon mit seiner Abrechnung begonnen. Der Feind hat das Dunkel verlassen, und jetzt haben wir das Nachsehen.«
Sie erwiderte nichts, und ihr war anzusehen, wie unwohl sie sich fühlte.
Sie ließen Carlo vorgehen, der mit schnellen Schritten dem Ziel entgegeneilte.
Andere Templer erwarteten sie nicht. Carlo erklärte, dass die Entdeckung einem Zufall zu verdanken war. Er hatte noch mal vor die Tür gehen wollen, um sich den prächtigen Sternenhimmel anzuschauen. Dabei war er dann praktisch über den Kopf gestolpert.
Carlo zerrte die Tür auf. Kalte Luft strömte ihnen entgegen. Sofort kondensierte der Atem vor ihren Lippen.
Eine Außenleuchte gab einen gelben, milchigen Schein ab, der zum Glück auch den Boden erreichte. Am Rande des Scheins lag der Kopf.
Godwin hätte seine Lampe nicht gebraucht. Der makabre Gegenstand war auch so zu sehen. Aber er wollte ihn genauer betrachten und schaltete deshalb die Lampe ein.
Der scharfe Lichtstrahl fand das Ziel und blieb auf dem Gesicht haften.
Ein weit geöffneter Mund, weit aufgerissene Augen. Dunkle Haare, die lockig den Kopf umgaben. Ein spitzer Bart bedeckte das Kinn.
Sophie stand neben Godwin, während Carlo etwas zurück geblieben war.
»Er ist noch so jung«, flüsterte sie.
»Kennst du ihn?«
»Nicht vom Namen her. Ich habe ihn wohl schon einige Male gesehen. Er arbeitet in der Stadt in einem Bistro als Kellner. Man wird ihm auf dem Weg nach Hause aufgelauert haben.«
»Kann sein. Und dann hat man den Kopf uns vor die Tür gelegt. El Shadd ist endgültig aus dem Dunkeln aufgetaucht.«
Godwin kniete neben dem makabren Fundstück nieder. Dort, wo der Kopf abgetrennt worden war, hatte sich Blut auf dem Pflaster ausgebreitet. Eingetrocknet war es noch nicht.
»Willst du die Polizei alarmieren?«, erkundigte sich Sophie.
»Nein, noch nicht. Ich möchte so wenig Aufsehen wie möglich erregen. Ich will, dass wir den Kopf zu uns nehmen. Wir werden ihn später zusammen mit dem Körper begraben. Der wird bestimmt irgendwo zu finden sein. Und wenn es in seiner Wohnung ist.«
»Und wohin willst du den Kopf bringen?«
»In die Kapelle.«
»Und ich besorge einen Karton«, sagte Carlo. Er hatte recht. So war der Kopf besser zu tragen.
Sophie und Godwin blieben allein zurück. Beide atmeten heftig. Sie trauten sich nicht, ein Wort zu sagen. Der Anblick des abgetrennten Kopfes war nur schwer zu verkraften.
»Er kennt keine Gnade«, flüsterte Sophie. »Und das ist erst der Anfang. Ich frage mich, wie das noch enden soll.«
»Mit meinem Tod.«
Sophie schaute ihren Mann
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