1553 - Der Feind aus dem Dunkeln
Maus huschte über die Wege, die sich in der Dunkelheit heller abzeichneten als der übrige Grund.
Nicht alle Hecken hatten ihre Blätter verloren. Es gab auch welche, die im Winter dicht waren und als Versteck hätten dienen können. Deshalb rechnete Godwin auch mit Überraschungen, die jedoch nicht eintraten.
Er befand sich zwar allein im Garten, doch er ging davon aus, dass seine Frau am Fenster stand und ihn beobachtete.
Die kleine Kapelle zeichnete sich in der Dunkelheit ab. Sie wirkte wie ein Zufluchtsort, der den Menschen Trost gab, wenn er ihn brauchte. Godwin und seine Frau besuchten die Kapelle recht oft und auch die Gruft, in der der tote Abbé Bloch lag. Er hatte die Templer lange geführt. Er war noch eine längere Zeit blind gewesen, bevor man ihn getötet hatte.
Da die Tür nicht abgeschlossen war, musste Godwin den Karton nicht erst abstellen.
Er umfasste den eisernen Griff und zog daran. Die schwere Tür schwang ihm entgegen. Er hörte das leise Quietschen, das ihm so vertraut war.
Er betrat die Kapelle.
Still war es. Eine andere Welt. Düster, aber nicht abstoßend. Es mochte auch an dem Geruch liegen, der sich zwischen den Wänden hielt. Es war das Aroma des Weihrauchs, das sich hier gehalten hatte.
Es gab Menschen, die es nicht mochten. Zu denen gehörte der Templer nicht. Seiner Meinung nach hatte es etwas Weihevolles an sich, das ihm immer einen gewissen Trost spendete und ihm auch Sicherheit gab.
Er schaute zum Altar hin. Die winzige Flamme des Ewigen Lichts war wie ein kleines Glutauge. Zwei Kerzen gaben ebenfalls etwas Helligkeit ab. Sie standen an den beiden Seiten verteilt, und ihr weicher Schein erreichte nicht nur die Mauern, sondern auch die schmalen Fenster.
Es war alles in Ordnung. Niemand hielt sich in der Kapelle auf, und auch im Garten war dem Templerführer keine Gefahr begegnet.
Er stellte den Karton links von der Tür auf den Steinboden und so weit vom Eingang entfernt, dass niemand darüber stolpern konnte, der in die Kapelle ging.
Er ersparte es sich, den Deckel noch mal anzuheben. Er wollte sich den abgeschlagenen Kopf nicht noch mal anschauen. Wenn alles vorbei war, würde der junge Mann ein christliches Begräbnis erhalten. Dafür wollte Godwin sorgen.
Bevor er die Kapelle verließ, schlug er ein Kreuzzeichen. Wieder quietschte die Tür in den Angeln. Er zog die Tür hinter sich zu und schaute in den Garten, bis hin zum Kloster, in dessen Mauerwerk es zahlreiche Fenster gab, von denen die meisten dunkel waren.
Nur unterhalb des Dachs waren einige Vierecke erhellt, auch in der unteren Etage, wo Sophies und seine Wohnung lag.
El Shadd sah er nicht. Überhaupt lag der Garten in der üblichen nächtlichen Stille.
Seltsamerweise beruhigte Godwin das nicht. Er kannte den Grund nicht. Da war etwas anders geworden, obwohl alles so aussah wie immer.
Er sah nirgends eine Gefahr, die ihn bedrohte, und trotzdem verspürte er eine gewisse Unsicherheit. Menschen, die damit lebten, ständig in Gefahr zu geraten, entwickeln so etwas wie einen siebten Sinn. Das war bei Godwin auch der Fall. Die Ruhe hier im Garten konnte sich schnell als trügerisch erweisen. Es war durchaus möglich, dass jemand in seiner Nähe auf ihn lauerte, den er noch nicht sah.
Er löste sich von der Tür und ging die ersten Schritte in den Garten. Die kalte Nachtluft umgab ihn. Er hörte nichts. Hinter dem Fenster seines Arbeitszimmers sah er die Gestalt seiner Frau, die unablässig in den Garten schaute.
Er winkte ihr nicht zu, sondern…
Godwin erstarrte.
Er hatte etwas gehört!
Keine menschliche Stimme. Das war was anderes gewesen, und es passte nicht in die Umgebung. Der Templer blieb bewegungslos stehen und konzentrierte sich. Das Geräusch war nicht laut, es wirkte nur so in dieser Stille.
Aber wo kam dieses Zischeln und Schaben her? Da vermischten sich zwei Laute miteinander.
Vor ihm.
Auch an den Seiten war es zu hören, und es stieg vom Boden her zu ihm hoch.
Plötzlich jagte ein Adrenalinstoß durch seinen Körper. Was er vorhin nicht entdeckt hatte, sah er jetzt mit einem Blick. Vor und auch seitlich von ihm bewegte sich etwas auf dem Boden.
Kleine, schwarze, längliche und zuckende Lebewesen.
Schlangen!
Genau die Schlangen, die er auch in der Vergangenheit gesehen hatte und vor denen er geflohen war.
Diesmal hatten sie ihn vor drei Seiten eingekreist!
In den ersten Sekunden tat er nichts. Er stand nur da und bewegte die Augen. Wohin er auch schaute, ob nach vorn oder zur
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