1553 - Der Feind aus dem Dunkeln
von der Seite her an. »Hör auf, so etwas zu sagen. Es hörte sich an, als hättest du dich bereits aufgegeben.«
»Bestimmt nicht«, sagte der Templer. »Aber ich hasse seine Hinterhältigkeit. Er soll sich zum Kampf stellen.«
»Keine Sorge, das wird er schon.«
»Ja, aber Mann gegen Mahn. Ich will nicht, dass Unschuldige dabei ums Leben kommen. Dieser junge Mensch hatte noch das ganze Leben vor sich…«
»Hier ist der Karton.«
Carlo war wieder da.
Sophie und Godwin drehten sich um.
Der Templer stand noch immer unter dem Eindruck des Fundes. Es war ihm schwer gefallen, etwas zu sagen, und er musste einige Male schlucken, bevor er Sophie den Karton entgegenhielt. Er hatte auch den dazugehörigen Deckel mitgebracht, damit der makabre Inhalt nicht zu sehen war.
Sophie nahm ihm den Karton aus den Händen. Sie stellte ihn auf den Boden. Es fiel keinem von ihnen leicht, den Kopf anzufassen, aber es musste getan werden, und diese Aufgabe übernahm Godwin.
Als er den Kopf von zwei Seiten anfasste, presste er die Lippen hart zusammen.
Sein Gesicht glich einer Maske.
Der Kopf war seiner Meinung nach noch warm. Es konnte aber auch an der sie umgebenden Kälte liegen, dass er diesen Eindruck hatte.
Behutsam hob er den Kopf an und stellte ihn ebenso behutsam auf den Boden des Kartons. Den Deckel bekam er von Sophie gereicht. Er klappte ihn darüber.
»Wohin damit?«, fragte Sophie.
»Ich bleibe dabei. Ich bringe ihn in die Kapelle.« Er hob den Karton an und stand auf. Dabei nickte er Carlo zu. »Du kannst wieder in dein Zimmer gehen.«
»Danke.« Carlo sah aus, als wollte er noch etwas fragen. Er verschluckte es aber und eilte davon.
»Ich begleite dich, Godwin.«
»Nein, bitte nicht. Das ist allein meine Sache. Ich habe damals versagt. Jetzt muss ich die Konsequenzen tragen. Ich denke auch nicht, dass er mich angreifen wird.«
»Und wenn das eintritt, Godwin, wie willst du dich dann verteidigen?«
»Diesmal kann ich mich auf eine Pistole verlassen und nicht nur auf das Schwert.«
Sie war skeptisch. »Und das reicht?«
»In einigen Stunden ist John Sinclair hier. Ich denke, dass wir dann die Dinge anders angehen können.«
»Gut. Ich warte dann auf dich.«
Beide betraten das Kloster.
Sophie ließ ihren Mann vorgehen. Sie schloss die Tür von innen, aber sie hatte dabei nicht das Gefühl, ruhiger geworden zu sein.
Der Druck war weiterhin vorhanden, und er würde so schnell auch nicht weichen.
Sie wusste ja, dass sie und Godwin ein besonderes Schicksal zu meistern hatten, und ob das immer gut ging, war die große Frage…
***
Godwin de Salier hatte die Arme, auf denen er den Karton mit dem makabren Inhalt trug, ausgestreckt. Durch den Deckel blieb er von dem furchtbaren Anblick verschont. Er bemühte sich, ihn nicht hektisch zu bewegen, denn das Rumpeln des Kopfes im Inneren des Kartons zu hören wäre schlimm gewesen.
Im Kloster herrschte die nächtliche Stille. Nur in der Etage unter dem Dach saßen die Brüder, die auch in der Nacht wachten. Innerhalb einer hoch technisierten Umgebung. Sie horchten praktisch in die Welt hinein, um Informationen zu sammeln und Spuren ihrer Gegner zu finden, die es leider recht zahlreich gab.
Aber was nutzte all die Technologie, wenn jemand sich archaischer Mittel bediente und einen Menschen killte wie vor Tausenden von Jahren. Einfach den Kopf vom Rumpf trennen.
Er hatte es nicht zum ersten Mal erlebt. Bereits während der Kreuzzüge waren viele Menschen auf diese Weise vom Leben zum Tod befördert worden. Es hatte keine Gnade gegeben.
Es war eine schreckliche Zeit gewesen, in der das Blut literweise geflossen war, und Godwin wollte nicht, dass sich diese Zeiten wiederholten. Es war auch heute nicht alles Gold, was glänzte, aber in der zivilisierten Welt zumindest sollten die grausamen Methoden aus früheren Zeiten vorbei sein.
Godwin hatte die Hintertür erreicht. Um sie zu öffnen, musste er den Karton absetzen, was er auch tat. Wenig später hob er ihn wieder an und drückte die Tür mit der rechten Schulter auf, um in den Garten zu gelangen. Die hintere Tür würde er erst später wieder abschließen, wenn er von der Kapelle zurückkehrte.
Es war still um ihn herum. Keine fremden Geräusche, nur die eigenen, die seine Schuhe beim Auftreten hinterließen.
Der Garten war an einer Seite von einer hohen Mauer umgeben. Für eine Gestalt wie El Shadd bereitete es keine Mühe, sie zu überklettern. Aber in Godwins Nähe bewegte sich nichts. Nicht mal eine
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