1563 - Blut-Geschwister
mit schleppender Stimme.
»Dann sollten wir ihn uns mal ansehen.«
Quirin lächelte. »Sie wollen mich mitnehmen?«
»Sie kennen sich hier besser aus und können die Führung übernehmen. Ich werde Ihnen schon klarmachen, wann es nur noch für mich allein weitergeht.«
»Das verstehe ich.«
Walter Quirin wirkte plötzlich sehr aufgeregt. Das alte Jagdfieber war wieder da. In seinen Augen blitzte es und er lachte laut.
»Dann wollen wir mal. Zum Glück sitzt meine Frau beim Friseur. Die hätte bestimmt was dagegen, wenn ich mich einmische.«
Harry nickte. »So sind nun mal die Frauen. Aber es tut schon gut, wenn sich jemand Sorgen um einen macht.«
»Bei Ihnen auch?«
»Ja. Meine Partnerin hat großes Verständnis für meine Arbeit.«
»Das ist gut. Ich war mehr im Innendienst. Und wenn es mal zu einer Dienstreise kam, dann nur zu den Kollegen, die ebenfalls in Büros saßen und nicht draußen agierten.«
Harry nickte. Er stand von seinem Platz auf, und sein ehemaliger Kollege wollte der Bedienung winken, um zu zahlen.
In der Aufwärtsbewegung blieb sein Arm stehen. Seine Augen weiteten sich - wie auch die von Harry Stahl.
Beide hatten die Schreie einer Frau gehört.
Nicht in der Cafeteria, sondern außerhalb.
Sekunden später war es vorbei mit der hier herrschenden Idylle.
Da wurde eine schmale Tür aufgedrückt, und eine junge Frau lief stolpernd in den Raum hinein. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck des Entsetzens.
Aber das war noch nicht das Schlimmste. Hinzu kam, dass ihr Gesicht in der unteren Hälfte blutüberströmt war…
***
Harry Stahl war es gewohnt, in gewissen Situationen schnell zu reagieren. Das tat er auch jetzt. Er startete und lief der Frau entgegen, weil er sah, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte.
Es kam schon einem kleinen Wunder gleich, dass sie noch nicht gestürzt war, was aber geschehen würde, denn sie lief genau auf einen Tisch mit vier Stühlen zu und wäre über ihn gefallen, hätte Harry nicht so schnell reagiert.
Die Frau, die einen blaugrauen Kittel trug, kippte schon, als Harry auf sie zusprang und ihr seine Arme entgegenstreckte, in die sie hineinfiel. Ihr Gewicht drückte ihn für einen Moment nach hinten, und er war froh, dass ihre Schreie verstummten.
Harry hielt die Frau fest, die zu einem zitternden Bündel geworden war. Er hörte sie erstickt keuchen und zog sie wieder in die Höhe.
Walter Quirin und die Bedienung standen in seiner Nähe und schauten zu.
Harry setzte die verletzte Person auf einen Stuhl. Sie konnte nicht mehr, hockte einfach nur da und zitterte.
Stahl schaute ihr ins Gesicht. Er sah das Blut am Hals. Die linke Seite dort war aufgerissen. Dicht unter dem Kinn begannen die Streifen.
Harry wusste schon, was der Frau zugestoßen war.
Mit leiser Stimme sprach er auf sie ein. Er sah die Angst in ihren Augen, die bei ihr für einen Schüttelfrost sorgte.
»Bitte, Sie müssen sich zusammenreißen. Es ist alles vorbei. Sie brauchen keine Furcht mehr zu haben. Sie sind in Sicherheit.«
»Das ist doch die Lisa«, flüsterte die Bedienung.
Harry fragte: »Wer ist die Frau?«
»Lisa putzt bei uns. Sie war bestimmt im Keller. Man kann ihn vom Nebenraum aus erreichen.«
»Danke.«
»Sie braucht einen Arzt«, sagte Walter Quirin.
»Später. Ich muss nur ein paar Informationen von ihr haben.«
Zwar hatte Harry noch nichts gehört, aber er konnte sich denken, was geschehen war. Lisa war von einem Vampir attackiert worden. Er hatte noch nicht richtig zubeißen können. Möglicherweise übte er noch, aber die Wunden am Hals wiesen darauf hin. Er hatte es an der linken Halsseite versucht. Harry beugte sich vor.
»Bitte, Lisa, können Sie mich hören?«
»Ja…«
»Sie werden gleich in ärztliche Behandlung kommen. Zuvor möchte ich nur ganz kurz wissen, was passiert ist.«
Lisa schaute den für sie Fremden aus feuchten Augen an. »Es tut so weh. Es brennt.«
»Ich weiß. Aber Sie wollen doch bestimmt auch, dass wir diesen Menschen fassen.«
»Mensch?«
»Erzählen Sie.«
Sie musste sich erst sammeln. Walter Quirin reichte ihr ein Taschentuch, mit dem sie über ihre Auge wischte. Dann begann sie stockend mit ihrem Bericht.
Lisa war in den Keller gegangen, um sich Nachschub an Putzmitteln zu besorgen.
Da war es dann geschehen. Sie hatte eine Gestalt gesehen und war von ihr angefallen worden.
»Wie sah der Mann aus? Es war doch ein Mann, oder?«
»Ja, das war er.« Sie überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Ich habe
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